Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

234 DO. Buch. Die Reichsgewalt. 
pretation des Entwurfs der Reichsverfassung“ sein will, ihre nochmalige 
Motivierung dahin: 
„Soviel das Verhältnis des Bundesstaates zu dem Inlande betrifft, 
so konnte den verbündeten Regierungen auch hier über die aus den 
vorbezeichneten Anforderungen“ — Zureichen der Reichsgewalt für 
die gesicherte Erreichung ihrer Ziele, aber Abgrenzung ihrer Befug- 
nisse auf das Mals des wirklichen Bedürfnisses »im Interesse der Ehre 
und Selbständigkeit der Einzelstaaten« — „flielsenden Folgerungen 
kein Zweifel bleiben. Der Bundesstaat soll ausschliefslich oder er- 
gänzend dasjenige leisten, was der einzelne Staat entweder nicht oder 
nicht in erforderlichem Malse zu leisten vermag. Hieraus folgt, dafs 
er auch nur das und nicht mehr als das zu leisten berechtigt werden 
durfte; dafs der Selbständigkeit der einzelnen Staaten der ganze übrige 
Teil der Regierungs- und Machtbefugnisse belassen und gesichert 
werden mulste; dals die Verfassung des deutschen Bundesstaates hier 
nach allen Richtungen hin einer falschen Centralisation zu begegnen 
hatte. Die verbündeten Regierungen glauben dies durch Fern- 
halten der Reichsgewalt von der eigentlichen Admini- 
stration und durch Begrenzung des der Reichsgewalt 
zugeteilten Ober-Aufsichtsrechtes gethan zu haben und 
durch die gegenwärtige Erklärung noch thun zu müssen.“ 
Trotz dieser scharfen Motivierung hat sich auch noch die Unions- 
verfassung damit beenügt, den leitenden Grundsatz nur in den ein- 
zelnen, verstreuten Bestimmungen über die Kompetenzverhältnisse zur 
Darstellung und Geltung zu bringen. Erst die norddeutsche Ver- 
fassung und jetzt die Reichsverfassung haben eine Textuierung em- 
pfangen, welche dem leitenden Grundsatze auch eine grundsätzliche 
Formulierung verschafft. Und hieraus ergeben sich die obersten 
Grundzüge, welche für die Gestaltung der Regierungsgewalt des Reiches 
und damit für die Charakteristik der Bundesverhältnisse in Deutsch- 
land entscheidend sind. 
I. Artikel 4 der R.V. ist dazu bestimmt, in einer allgemeinen 
Übersicht und in einer Regel und Grundsatz feststellenden Weise die 
Verteilung der Kompetenzen zwischen dem Reiche und den Einzel- 
staaten zu vollziehen. Er bewirkt dies durch eine doppelte Be- 
stimmung: | 
durch einen Katalog der „Angelegenheiten“, d. h. der 
Gegenstände oder Zweige der Verwaltung, die, herausgesprengt aus 
dem Gesamtzweck des deutschen Staatswesens, dem Reiche zu seinem 
Teile als die ihm gebührende materielle Kompetenz zufallen ;
	        
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