244 II. Buch. Die Reichsgewalt.
der gesetzgeberischen Vorschläge! und der Teilnahme an der gesetz-
geberischen Beschlulsfassung zu. Ja selbst dann, wenn es die Absicht
ist, der hegemonischen Stellung Preulsens bei gewissen gesetzgeberi-
schen Beschlüssen Rechnung zu tragen oder einzelnen Bundesstaaten
für die ihnen aus den Vorschriften der Verfassung erwachsendeu
Sonderrechte einen durchgreifenden Schutz zu verschaffen, wendet das
die R.V. dahin, dals „die Stimme des Präsidiums“ den Ausschlag
giebt — a. 5 —, oder dals der Beschluls des Bundesrates in seiner
Rechtsgültigkeit durch. die zustimmende Abstimmung des bevorrech-
tigten Mitgliedes bedingt ist — a. 78 al. 2°? —. Es steht aufser-
halb der Verfassung, es erklärt sich aus den Zufälligkeiten der
äulseren Form der ursprünglichen Verfassungsverträge und ihrer spä-
teren gesetzlichen Redaktion, wenn die Kompetenz des Reiches zur
Gesetzgebung in der Anwendung auf einzelne Staaten durch ver-
tragsmälsige Zusicherungen des Reiches an die vertragsmälsige Zu-
stimmung der betreffenden Einzelstaaten gebunden ist®. Aber davon
unberührt bleibt der verfassungsmälsige Grundsatz, dals bei der Gesetz-
gebung des Reiches innerhalb seiner Kompetenz den Einzelstaaten
als solchen und aulserhalb ihrer Rechtsstellung im Bundesrat ein Recht
der Mitwirkung nirgends zusteht.
2. Der vollen Selbständigkeit der gesetzgeberischen Willens-
bildung entspricht die Form des zweiten Stadiums der Gesetzgebung.
Auch die Rechtsverbindlichkeit der Reichsgesetze wird für
jeden, den es angeht, ausschliefslich von Reichs wegen bewirkt. Der
entscheidende Satz hierfür ist R.V. a. 2:
„Die Reichsgesetze erhalten ihre verbindliche Kraft durch ihre
Verkündigung von Reichs wegen, welche vermittelst eines Reichsgesetz-
blattes geschieht.“ |
Demzufolge: jede Form der Bekanntmachung von Reichsgesetzen
durch die Einzelstaaten, welche eine andere Bedeutung für sich in
ı Dafs das Wort „Bundesglied“ in R.V. a. 7 al. 2 identisch ist mit Mit-
glied des Bundesrates geht sowohl aus der Überschrift des Abschnittes:
„III. Bundesrat“ als aus der Satzfügung hervor: „Jedes Bundesglied ist be-
fugt, Vorschläge zu machen und in Vortrag zu bringen.“
2 Darüber, dafs die „Zustimmung des berechtigten Bundesstaates“ im
Bundesrate zu erfolgen hat, s. Hänel, Studien I 209 ff.
® So gegenüber Bayern die Ausdehnung der Versicherungsgesetzgebung
auf das Immobiliarversicherungswesen — bayerisches Schlufsprotokoll IV —,
so gegenüber Württemberg die Ausdehnung der Postgesetzgebung auf Vor-
rechte der Post, die in diesem Staate bisher keine Geltung hatten — würt.
tembergisches Protokoll No. 3 — und die Erstreckung der Militärgesetzgebung
auf der württembergischen Militärkonvention widersprechende Punkte.