$ 39. Die Reichsgesetzgebung als Ermächtigung. 253
In allen diesen Fällen ist das Landesgesetz, welches dem Reichs-
gesetze widerspricht oder auch mit ihm sich inhaltlich deckt, darum
irrelevant, jede entgegenstehende Absicht und Wirkung darum nichtig
und verfassungswidrig, weil ein Akt der Reichsgesetzgebung die Rechts-
macht des Einzelstaates zur Gesetzgebung aufgehoben hatte?.
8 39.
Die Reichsgesetzgebung als Ermächtigung.
Wenn die Reichsverfassung das Verhältnis der Reichsgesetzgebung
zur Landesgesetzgebung durch den an die Spitze gestellten a.2 grund-
sätzlich regeln will und wenn sie dies nur durch die Feststellung der
Rechtswirkung des erlassenen Reichsgesetzes thut, so folgt daraus
der andere Grundsatz: das subjektive Recht des Reiches zur
Gesetzgebung wirkt nur als Ermächtigung. Anders aus-
gedrückt: die verfassungsmälsige Wirkung der Reichsgesetzgebung auf
die Landesgesetzgebung tritt nicht unmittelbar in diesem Sinne ein,
sondern erst mittels, kraft und nach Malsgabe eines Ausübungs-
aktes.
1. Demgemäls hat die Kompetenz des Reiches zur Gesetzgebung
der Regel nach nicht die Bedeutung und die Kraft, bestehendes Recht
aufzuheben oder zu ändern oder auch nur die Autorität, auf der es
beruht, durch eine andere Autorität zu ersetzen. Das bestehende, den
Sätzen der Reichsverfassung nicht entgegenstehende, objektive Landes-
recht, auch wenn dasselbe jetzt in den Bereich der gesetzgeberischen
R.V. a. 2 fordert, sondern nur mittelbar durch die gesetzgeberische Autorität
des Einzelstaates, welche in und mit dieser Form angemafst wird, bewerk-
stelligt.
5 Die Reproduktion von Reichsgesetzen oder die Erläuterung ihres Sinnes
und ihrer Wirkungen in partikulären reinen Vollzugsverordnungen ist zu-
lässig, ja sie kann je nach Lage der Dinge geboten sein. Aber solche Voll-
zugsverordnungen haben auch weder die Absicht noch auch die rechtliche
Kraft, durch eigene Autorität und unangesehen des Reichsgesetzes Rechts-
verbindlichkeit zu erzeugen, sondern sie sind nur dazu bestimmt, das von dem
Reichsgesetz Gewollte durch die erforderlichen Generalbefehle an die Unter-
thanen oder durch allgemeine Dienstinstruktionen an die Behörden durch-
zuführen. Die Frage, inwieweit hierbei eine unrichtige Reproduktion oder Er-
läuterung die zuständigen Behörden oder die Unterthanen zum Gehorsam ver-
pflichtet, ist keine Frage der Autorität der Reichsgesetze als solcher. Sie
erhebt sich genau ebenso für die Vollzugsverordnungen zu Landesgesetzen.
Sie ist nur die Frage, entweder wer für die gesetzmälsige Durchführung der
Gesetze verantwortlich ist oder welche Rechtsmittel den Betroffenen gegen
gesetzwidrige Verfügungen der vorgesetzten Behörden zustehen.