256 I. Buch. Die Reichsgewalt.
aber auch die Landesgesetzgebung ihre Grenze nur in dem allgemeinen
Grundsatze, dals sie nichts bestimmen darf, was das Reichsgesetz ab-
ändert, erläutert, deckt. ’
Allein vielfach schweigen die Reichsgesetze darüber, ob sie
vollständig sein wollen oder nicht. In diesem Falle hat die Fest-
stellung ihrer Absicht zu erfolgen nach den gemeingültigen Regeln der
Auslegung. Aber gerade sie ergeben, dals das Schweigen der Reichs-
gesetze an und für sich einen Schluls auf die Ergänzungsfähigkeit
durch die Landesgesetze nicht gestattet. Denn das Schweigen kann
auch ein „konkludentes“ ? sein, d. h. es kann ihm die Absicht zu Grunde
liegen, eine weitere rechtliche Regelung des Gegenstandes, als sie das
Reichsgesetz aufweist, überhaupt nicht zu dulden, sei es weil an einen
Thatbestand gewisse Rechtsfolgen, z. B. Straffolgen, überhaupt nicht
geknüpft, sei es weil dem richterlichen Ermessen oder den admini-
strativen Erwägungen oder der individuellen Freiheit engere Schranken
nicht gezogen werden sollen.
Hiermit ist es denn aber auch gesagt, in welchem Sinne die
Landesgesetzgebung „Ausführungsgesetze“ zu den Reichs-
gesetzen erlassen kann. Sie vermag dies niemals im Sinne der
Wiederholung, Erläuterung, Detaillierung des Reichsgesetzes oder der
Aufhebung entgegenstehenden Rechtes, sondern immer nur in dem
Sinne und unter den nämlichen Voraussetzungen, in welchem und
unter denen sie Ergänzungsgesetze zu den Reichsgesetzen er-
lassen darf. Die „Ausführung“ ist nichts als ein gesetzgeberisches
Motiv, welches eine besondere Gestaltung des Verhältnisses zwischen
der Reichs- und Landesgesetzgebung nicht herbeiführt.
Verschieden von den „Ausführungsgesetzen“ sind die Über-
sangsbestimmungen im eigentlichen® Sinne. Es sind dies
solche in ihrer Dauer beschränkte gesetzliche Anordnungen,
welche die Anpassung gewisser, der sofortigen Subsumtion unter das
neue Gesetz widerstrebender Verhältnisse in besonderer Weise
regeln sollen. Sollen solche Übergangsbestimmungen zu einem Reichs-
gesetze auch noch nach dem Inkrafttreten des letzteren Geltung
haben, so sind sie Änderungen oder Suspendierungen desselben, welche
die Landesgesetzgebung nur auf Grund besonderer Ermächtigung be-
wirken kann. So z. B. Eg. Gvg. a. 18; Eeg. Strfpr.O. a. 8; Ee.
Civp.O. aa. 18. 21. 23; Eg. Konk.O. aa. 8. 12. 13. Erlöschen sie
5 Heinze, Verhältnis S. 31.
6 Denn vielfach werden so auch Bestimmungen genannt, die in Wahr-
heit Ergänzungs-, insbesondere Ausführungsgesetze zu den Reichsgesetzen sind.
Z. B. Eg. Strfgb. a. 8.