$ 40. Die Ausschliefslichkeit der Reichsgesetzgebung. 361
dafs das bestehende Landesrecht ausschliefslich durch die Gesetzgebung,
beziehungsweise das Verordnungsrecht des Reiches abgeändert
werden kann. Das geschieht durch R.V. a. 40 rücksichtlich der Be-
stimmungen in dem Zollvereinigungs-Vertrage vom 8. Juli 1867, soweit
dieselben nicht schon durch R.V. a. 35 getroffen sind.
Oder die Ausschliefslichkeit wird dadurch begründet, dals die
Reichsverfassung bestimmte Anstalten und Einrichtungen zu „ein-
heitlichen“* Anstalten und Einrichtungen des Reiches erhebt. So
durch R.V. a. 48 das Post- und Telegraphenwesen, durch R.V.
a. 53 die Kriegsmarine, durch R.V. a. 63 in Verbindung mit a. 61
die Landmacht des Reiches.
Freilich greift schliefslich in alle diese Bestimmungen eine Be-
schränkung dadurch ein, dafs die einschlagenden Verfassungsartikel
Exemtionen enthalten, welche für einzelne Staaten wie die Kon-
petenz des Reiches überhaupt, so selbstverständlich die Ausschliels-
lichkeit seiner Gesetzgebung für die bezeichneten Gegenstände aulser
Geltung setzen.
3. Wenn sich hiernach überall das ausschliefsliche Gesetzgebungs-
recht des Reiches als eine auf besonderer Begründung beruhende Aus-
nahme von der grundsätzlichen und verfassungsmälsig anerkannten
Wirksamkeit der Landesgesetzgebung darstellt, so folgt daraus, dafs
das Reich nicht berechtigt ist, weitere Beschränkung derselben im Wege
der einfachen Gesetzgebung herbeizuführen. Jede Ausdehnung der
Ausschlielslichkeit der Reichsgesetzgebung ist Verfassungsänderung
und heischt die Formen derselben ®.
2 R.V. a. 54 al. 1 bestimmt: „Die Kauffahrteischiffe aller Bundesstaaten
bilden eine einheitliche Handelsmarine“. Laband, Staatsrecht d. d. R.
I 622. 623, leitet daraus für die in a. 54 al. 2 bezeichneten Angelegenheiten
die Ausschliefslichkeit der Reichsgesetzgebung ab. Aber das Bilden einer
einheitlichen Handelsmarine bezeichnet nicht,die Bildung einer einheitlichen
Anstalt, Einrichtung, wie für Heer, Kriegsmarine, Post und Telegraphie. Als
einheitlich kann die Handelsmarine nur um der Einheitlichkeit ihrer rechtlichen
Regelungen willen bezeichnet werden. Dies wird aber nicht schon durch die
Bestimmung der R.V.a. 54 al. 1 bewirkt, sondern erst durch die darauf hin er-
gehende Reichsgesetzgebung. Auch wird die Einheitlichkeit der Handels-
marine nicht erschöpft durch die in al. 2 vorgesehenen Regelungen — sie
sind_ nur Exemplifikationen. Die Ausschliefslichkeit der Reichsgesetzgebung
läfst sich daher auf den Ausdruck „einheitliche Handelsmarine“ nicht stützen.
3 Dem widerspricht es nicht, wenn das Gewerbegesetz vom 8. Juli 1868
8 5, das Banknotengesetz vom 27. März 1870 $ 1, das Papiergesetz vom
16. Juni 1870 $ 1 die Vermehrung koncessionspflichtiger Gewerbe, die Er-
teilung von Banknotenprivilegien, die Emission von Papiergeld unter Aus-