Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

262 Il. Buch. Die Reichsgewalt. 
8 al. 
Die Leitung der Reichsgesetzgebung. 
Überall da, wo die Kompetenz des Reiches zur Ausschliefslichkeit 
erhoben ist, oder wo ihre Ausübung entweder erschöpfend ist oder 
gänzlich unterbleibt, findet rechtlich oder thatsächlich eine Kon- 
kurrenz zwischen der Reichs- und Landesgesetzgebung nicht statt. Sie 
tritt erst dann ein, wenn die Reichsgesetzgebung einen Gegenstand 
ihrer Kompetenz zwar behandelt, aber nur unvollständig, nur teilweise 
oder nur einseitig. 
In diesem Falle ist es auf der einen Seite das unbestrittene Recht 
der Einzelstaaten, durch ihre Gesetzgebung und auf ihre Autorität hin 
die Reichsgesetzgebung zu ergänzen, auszuführen, sei es dals sie das 
bestehende Landesrecht fortbestehen lassen, sei es dals sie dasselbe 
fortbilden. Auf der anderen Seite fordert ein solches Ergänzungsver- 
hältnis planmäfsiges Ineinandergreifen beider Teile und wesentliche 
Übereinstimmung der leitenden legislativen Gesichtspunkte. Und hier 
ist es denn das Reich, dem die Rolle einheitlicher und planmäfsiger 
Leitung im Verhältnis zu den Einzelstaaten gebührt. 
Dem einseitigen gesetzgeberischen Ermessen des Reiches fällt die Ent- 
scheidung zu, wieweit es die behandelte Angelegenheit der einheitlichen 
Regelung für fähig und bedürftig hält, oder wieweit es in Rücksicht 
auf die vollziehenden Kompetenzen der Einzelstaaten, in Schonung des 
Bestehenden, im Hinblick auf die Verflechtung der allgemeinen und 
besonderen Interessen der partikularen Rechtsgestaltung Raum lassen 
will. Das Reich bestimmt das Mafs und die Art und Weise des Zu- 
sammenwirkens beider Gesetzgebungen. Dem Einzelstaate kann nicht 
das Recht zugeschrieben werden, dadurch, dafs er die ihm zufallende 
Ergänzung überhaupt nicht oder in willkürlicher Weise vornimmt, die 
Zwangslage zu schaffen, entweder dafs das Reichsgesetz in der be- 
absichtigten Wirkung gehemmt oder dafs das Reich genötigt wird, 
durch seine Gesetzgebung das zu regeln, was es sachgemälser der Re- 
gelung der Einzelstaaten überlassen sehen will. Mit dem allen aber 
tritt die auf den Gebieten der Reichskompetenz ergänzende Landes- 
gesetzgebung zu der Reichsgesetzgebung in ein Verhältnis rechtlicher 
Gebundenheit, rechtlicher Abhängigkeit. 
schlufs der Landesgesetzgebung von einem Reichsgesetz abhängig macht. 
Denn hierbei handelt es sich um eine Ordnung der einschlagenden Gegen- 
stände durch ein Reichsgesetz, welches negative Direktiven für. die Landes- 
gesetzgebung enthält und nur für Ausnahmen durch besondere reichsgesetz- 
liche Ermächtigungen oder durch ein Reichsgesetz selbst Raum läfst.
	        
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