Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

264 II. Buch. Die Reichsgewalt. 
den pflichtgemäfsen Inhalt der Landesgesetze bilden müssen oder ihn 
nicht bilden dürfen !. 
ı Heinze in seiner Abhandlung „über die Tragweite von $ 5 des Ein- 
führungsgesetzes zum Strfgb. für den norddeutschen Bund und über das all- 
gemeine formelle Verhältnis der Reichsgesetzgebung zur Landesgesetzgebung“ 
— Gerichtssaal XXX 561 ff. — verficht den entgegengesetzten Grundsatz: „der 
Reichsgewalt und insbesondere der Reichsgesetzgebung kommt das Recht, ver- 
bindliche Weisungen zu erteilen, nicht zu, sondern nur das Recht der gegen- 
ständlichen gesetzlichen Normierung“. Allerdings beschränkt er seine Unter- 
suchung auf das in a. 4 No. 13 der R.V. bezeichnete Rechtsgebiet, allein seine 
Gründe sind allgemeine, welche notwendig auch die anderen Gebiete der 
Reichskompetenz ergreifen mülsten. Und zwar sind es folgende Gründe. 
1. R.V. a. 2 kennt nur Reichsgesetze, welche den Landesgesetzen vorgehen. 
Notwendige Voraussetzung eines solchen Vorgehens sei es aber, dafs ein in- 
haltlich, sachlich bestimmtes Reichsgesetz gegenüber tritt einem Landesgesetz, 
dessen Gegenstand identisch mit dem des Reichsgesetzes ist, dafs beide also 
die gleiche Rechtsfrage entscheiden; dies aber würde nicht der Fall sein bei 
einem Reichsgesetz, welches nur die Thätigkeit der Landesgesetzgebung 
regelt (S. 572. 574. 578). Allein diese Voraussetzung von der „unerlälslichen 
Identität des Gegenstandes* ist irrig. Es giebt Reichsgesetze, welche einen 
für die Landesgesetzgebung: vollkommen unzugänglichen Inhalt haben, z. B. 
über die innere Struktur eines Reichsorganes, des Bundesrates oder des Reichs- 
tages, und die darum doch Reichsgesetze im Sinne der R.V.a.2 sind. 2. Wei- 
sungen an die Landesgesetzgebung würden nicht einen Gegenstand regeln, 
der unter die Kompetenz des Reiches fällt, sondern die Ausübung eines einzel- 
staatlichen Hoheitsrechtes, den Gang und die Funktionen der Landesgesetz- 
gebung betreffen; zu einer solchen Regelung aber gäbe die R.V. keinen An- 
halt (S. 572. 575. 577). Allein bei allen positiven und negativen Direktiven 
handelt es sich nicht darum, die Ausübung des einzelstaatlichen Gesetz- 
gebungsrechtes als solchen, als eines von dem Gegenstand der Reichskompe- 
tenz losgelösten Hoheitsrechtes zu regeln, sondern darum, diesem Gegenstande 
selbst eine bestimmte Ordnung zu geben in Rücksicht auf das bestehende 
-Gesetzgebungsrecht der Einzelstaaten — genau so wie z. B. die gesetzliche 
Regelung des Inhaltes und der Grenzen der Autonomie der Gemeinden in 
Gemeindeangelegenheiten die Ordnung des Gemeindewesens selbst zum Gegen- 
stande hat. 3. Ein Reichsgesetz, welches durch seine Weisungen die Landes- 
gesetzgebung binden wollte, würde nur die Faktoren der Landesgesetzgebung 
verpflichten, nicht aber rechtliche Wirksamkeit für Dritte, insbesondere für 
die Gerichte besitzen (S. 578f£.). Allein ein mit positiven oder negativen 
Direktiven in Widerspruch stehendes Landesgesetz ist nichtig, weil es aufser- 
halb der durch diese Direktiven bezeichneten und begrenzten Kompetenz zur 
Landesgesetzgebung liegt. Das dirigierende Reichsgesetz geht der Landes- 
verfassung vor, welche die Landesgesetzgebung in das freie Ermessen des 
Einzelstaates stellt. — Endlich führt die Auffassung Heinzes selbst in Be- 
schränkung auf R.V. a. 4 No. 13 zu dem vollkommen unmöglichen Resultat, 
8 5 des Eg. Strfgb. als eine generelle Strafandrohung für alle der Landes- 
gesetzgebung überlassenen Straffälle zu betrachten.
	        
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