$ 44. Die norddeutsche Verfassung und a. 7,2 der Reichsverfassung. 975
Einheitsstaate und in einem zusammengesetzten Staatswesen besitzt
und besitzen muls.
Im Einheitsstaate hat das Verordnungsrecht ausschliefslich die
organisatorische Bedeutung einer Auseinandersetzung der ver-
fassungsmälsigen Befugnisse, welche den Hauptorganen des Staates zu-
stehen. Die rechtliche Notwendigkeit ihres Zusammenwirkens oder
die Befugnis einseitiger Anordnungen einzelner Organe begründet den
Unterschied zwischen Gesetzgebung und Verordnungsgewalt.
Im Bundesstaate ist die Frage, in welchem Umfange und für welche
Organe ein Verordnungsrecht je innerhalb des Reiches und je inner-
halb der Einzelstaaten begründet ist, eine Frage erst zweiter Ord-
nung. Hier handelt es sich an erster und entscheidender Stelle um
die Verteilung des Verordnungsrechtes zwischen dem Reiche und den
Einzelstaaten. Das heifst, es handelt sich um eine Kompetenz-
frage, die für die Abgrenzung der Rechtssphäre des Reiches und der
Einzelstaaten und für die Art und Weise ihres Zusanımenwirkens von
belangreicher Bedeutung ist. |
Unter diesem Gesichtspunkte ist aber das Schweigen der all-
gemeinen Bestimmungen der norddeutschen Verfassung ein kon-
kludentes. Denn infolge der Entstehungsweise des Bundes, infolge
des allgemeinen Grundsatzes, dafs selbst auf den Kompetenzgebieten
des Bundes demselben nur diejenigen einzelnen formellen Hoheits-
rechte zustehen, welche ihm die Verfassung besonders zuspricht, ist
das Schweigen der Verfassung identisch mit einer Versagung eines all-
gemeinen, unmittelbar auf die Verfassung selbst gestützten Verord-
nungsrechts für den Bund, identisch mit einem Vorbehalt der ent-
sprechenden Rechte für die Einzelstaaten.
Dieses Ergebnis findet seine Bestätigung, wenn wir in dem all-
gemeinen, umfassenden Begriffe der Verordnung auf die beiden Bestand-
teile reflektieren, die trotz der Grundverschiedenheit ihres rechtlichen
Wesensin demselben enthalten sind, auf die Rechts- oder gesetzvertretende
Verordnung einerseits und auf die Vollzugsverordnung andererseits.
Rechts- oder gesetzvertretende Verordnungen haben
es zur Absicht und zum Erfolge objektives Recht zu erzeugen,
Rechtssätze rechtsgültig und rechtsverbindlich zu schaffen.
Vollzugsverordnungen sind Ausflüsse subjektiver, in dem
objektiven Rechte bereits begründeter Herrschaftsrechte, welche die In-
anspruchnahme subjektiver, im objektiven Recht bereits begrün-
deter Gehorsamspflichten zur Absicht und zum Erfolge haben. Sie sind
als General-Dienstanweisungen (Instruktionen) Ausflüsse der
hierarchisch in der Organisation der vollziehenden Gewalt gegliederten
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