Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 44. Die norddeutsche Verfassung und. a. 7,2 der Reichsverfassung. 277 
Mangel besonderer Bestimmungen der Verfassung das verfassungs- 
mälsige Recht der Einzelstaaten ist und bleibt. 
Allerdings — dieser Rechtsbestand des Verordnungsrechtes erfuhr 
schon während des norddeutschen Bundes gewisse Modifikationen. Der 
Grundsatz über die vollziehenden Befugnisse der Einzelstaaten wurde 
nicht allein durch die besonderen Abschnitte, sondern bereits und 
zwar mit innerer Notwendigkeit durch die allgemeinen organi- 
satorischen Bestimmungen der norddeutschen Verfassung durchbrochen. 
Denn auch durch letztere wurden dem Bundespräsidium einzelne 
Befugnisse der vollziehenden Gewalt übertragen: die Prärogativen der 
Krone gegenüber Bundesrat und Reichstag — aa. 12. 13. 14 —, die 
völkerrechtliche Vertretung des Bundes — a. 11 —, die Dienstgewalt 
über die Bundesbeamten, insbesondere die Ernennung des Bundes- 
kanzlers — a. 18 —, die Ausfertigung und Verkündigung der Gesetze? 
und zwar durch ein Bundesgesetzblatt — aa. 17. 2 —. 
Zweifellos sollten diese Bestimmungen der Verfassung das Prä- 
sidium unmittelbar zur Handhabung der gewährten Befugnisse und 
zur Bewerkstelligung der geforderten Einrichtungen ermächtigen, auch 
wenn sie den Weg der Verordnung erheischten. Denn ohne diese 
Voraussetzung hätte die norddeutsche Verfassung überhaupt nicht prak- 
tisch in das Leben treten können. Und so durfte sich das Präsidium 
mit Recht unter Einhaltung der durch a. 17 vorgeschriebenen Formen 
zu einem gewissen Verordnungsrecht unmittelbar auf Grund der 
allgemeinen Verfassungsbestimmungen ermächtigt halten, wie dies 
insbesondere durch die Verordnung über Einführung des Bundesgesetz- 
blattes vom 26. Juli 1867, durch den Präsidialerlafs über Einrichtung 
des Bundeskanzleramtes vom 12. August 1867, durch die Verordnung 
vom 3. Dezember 1867 über den Diensteid der unmittelbaren Bundes- 
beamten geschehen ist. Allein es waren dies vereinzelte Ansätze. Erst 
die deutsche Reichsverfassung hat einem allgemeinen Verordnungs- 
rechte des Reiches eine ausdrückliche verfassungsmälsige Grundlage 
gegeben. | 
II. Es ist dies dadurch geschehen, dafs die deutsche Reichsver- 
fassung den Artikel 37 ı, 2,3 der norddeutschen Verfassung, welcher 
nach seiner Stellung ausschliefslich auf das Zoll- und Handelswesen 
sich bezog, herübergenommen hat in die allgemeinen Abschnitte des 
?® In diesem, freilich auch nur in diesem Zusammenhang kann die letztere, 
ihrem Wesen nach der Gesetzgebung angehörige Funktion hierher gezogen 
werden.
	        
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