Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

292 II. Buch. Die Reichsgewalt. 
stützt!, ist selbstverständlich eine besondere Art seiner rechtlichen 
Wirkung gegeben. Denn, wenn die Kompetenz zur Reichsgesetzgebung 
im ganzen Umfang des erlassenen Gesetzes die gesetzgeberische Wirk- 
samkeit der Einzelstaaten aulser Kraft setzt, so läfst hier umgekehrt 
die Verordnungskompetenz des Reiches das einzelstaatliche Verord- 
nungsrecht bestehen, ihre Ausübung setzt das letztere nur in einer 
bestimmten Richtung in Bewegung. Daraus aber folgt: 
1. Die Beschlüsse des Bundesrates gewinnen Rechtsverbindlich- 
keit gegenüber den Behörden und Beamten der Einzelstaaten, sowie 
gegenüber den Unterthanen nicht von Reichs wegen, sondern nur in 
der Form der Partikularverordnung, d. h. kraft der Verkündigung 
oder Insinuation, welche unter der Autorität des Einzelstaates ergeht. 
Demgemäfs ist auch für die nur auf R.V. a. 7, 2 gestützten?, ins- 
besondere auch für die Gesamtheit der auf das Zoll- und Handels- 
wesen bezüglichen Beschlüsse des Bundesrates verfahren. Das Reich be- 
schränkt sich auf eine Veröffentlichung durch die im Reichskanzleramt 
herausgegebene „Zeitschrift“ : Centralblatt für das deutsche Reich, dem 
von keiner Instanz des Reiches die Bedeutung eines Verkündigungs- 
oder Insinuationsorganes beigelegt worden ist?. 
2. Es folgt fernerhin, dafs wie der Beschlufs des Bundesrates, 
wenn er nicht als partikularrechtliche Verordnung erlassen ist, über- 
haupt, so auch inhaltliche Abweichungen von demselben in den 
erlassenen Partikularverordnungen für die Behörden und Unterthanen 
irrelevant sind. Auch die abweichende Partikularverordnung ist rechts- 
gültig und für die letzteren rechtsverbindlich, vorausgesetzt selbst- 
verständlich, dafs sie mit einem Reichsgesetz nicht in Widerspruch 
steht und nach Pärtikularrecht zulässig ist. Beides, die Unterlassung 
und die Abweichung der Partikularverordnung, bewirkt immer nur den 
Thatbestand einer Verletzung verfassungsmälsiger Pflichten des Einzel- 
staates gegen das Reich, mit allen den Folgen, die rechtlich bis zur 
Fxekution damit verknüpft sind. 
3. Es folgt endlich, dafs zwar jede Partikularverordnung, welche 
auf einem rechtsgültigen Beschlufs des Bundesrates beruht, gültig und 
rechtsverbindlich ist unangesehen der gesetzlichen und verfassungs- 
ı Also immer wieder abgesehen von der besonderen Gestaltung des Ver- 
ordnungsrechtes auf Grund der besonderen Verfassungsbestimmungen und von 
den im Wege der Gesetzgebung geschaffenen besonderen Verordnungsrechten. 
2 Eine ausnahmsweise Abweichung ist der Beschlufs des Bundesrates zur 
Ausführung des Gesetzes über die Nationalität der Kauffahrteischiffe vom 
12. Nov. 1873, R.G.S. S. 367. 
3 Laband, Staatsrecht d. deutschen Reiches I 614. 707 Note 1.
	        
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