310 II. Buch. Die Reichsgewalt.
von den zutreffenden Reichsbehörden ausgeübt. Mögen dieselben die
Aufsicht ausüben nur als einen einzelnen Bestandteil umfassender
Amıtsbefugnisse, wie insbesondere der Reichskanzler und dessen General-
stellvertreter, oder möge dies geschehen unter der — eine specielle
Stellvertretung nicht zulassenden! — Verantwortlichkeit des Reichs-
kanzlers durch besondere Beamte ad hoc.
Solche besondere Aufsichtsbeamte schreibt die Reichsver-
fassung selbst in einem Anwendungsfalle ausdrücklich vor, nämlich
für die Erhebung und Verwaltung der Zölle und Verbrauchssteuern.
Nach R.V. a. 36 „überwacht der Kaiser die Einhaltung des gesetz-
lichen Verfahrens durch Reichsbeamte, welche er den Zoll- oder
Steuerämtern — Stationscontroleure — und den Direktivbehörden der
einzelnen Staaten — Reichsbevollmächtigte —, nach Vernehmung des
Ausschusses des Bundesrates für Zoll- und Steuerwesen, beiordnet“.
Die Gesetze und Verordnungen des Reiches haben alsdann in andern
Fällen eine ganze Reihe solcher besonderer Aufsichtsbeamten vor-
gesehen, welche teils für den einzelnen Fall, wie bei dem Ausbruch von
Viehseuchen oder der Reblauskrankheit, abgeordnet werden können,
teils ständige Organe bilden, wie der Reichskommissar für das Aus-
wanderungswesen, die Reichskommissare für die Schiffer-, Steuermanns-
und Maschinistenprüfungen, die Münz- und Reblauskommissare, der
Reichsinspektor für das Seezeichenwesen.
Die Befugnisse nun aber, die in diesen verschiedenen Organi-
sationen die Überwachung befalst, sind gerade im Anschluls an den
von der Reichsverfassung besonders hervorgehobenen Anwendungsfall
bereits zur Zeit des Zollvereins durch die Dienstinstruktion
für die Bevollmächtigten und Controleure, welche der
Zollvereinsvertrag vom 8. Juli 1867 a. 20 und das einschlagende
Schlufsprotokoll No. 15, 2 feststellte, in grundsätzlicher Weise ent-
wickelt worden. Sie bildet das Paradigma für den verfassungsmälsig
anerkannten Inhalt des Rechtes der Überwachung, welches insbesondere
auch den Instruktionen für die Prüfungs-? und Münzkommissare®? zu
Grunde liegt.
Darnach begreift die „Überwachung“ ein Dreifaches.
1 Stellvertretungsgesetz vom 19. März 1878 $ 2 und Motive zum ‚Gesetz-
entwurf ad $ 3. Sten. Ber. 1887 Anlage No. 36.
2 Bekanntmachung betr. Maschinistenprüfung vom 30. Juni 1879 8 29
— C.Bl.S. 427 —, Bekanntmachung betr. Befähigungsnachweis der Seeschiffer
und Seesteuerleute vom 6. August 1887 — R.G.Bl. S. 395 — 8 56.
8 Bundesratsbeschlufs vom 7. Dezember 1871 No. 14 — Hirths Annalen
1872 S. 858 —.