Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 51. Die Beaufsichtigungsmittel. 315 
als auch die Mängelabhülfe des Bundesrates nur auf die Ausführung 
der vom Reiche erlassenen Gesetze und Verordnungen. Nach 
diesem Wortlaute und bei der vollkommen anderen Lage des Sach- 
und Rechtsverhaltes ist es nicht gestattet, jene Befugnisse auch auf 
die zweite Anwendung des Beaufsichtigungsrechtes auszudehnen, welche 
bereits vor ergehendem Reichsrechte auf den Kompetenzgebieten des 
Reiches eintritt. 
Hierfür stehen dem Reiche nur zwei allgemeine Befugnisse als 
rechtliche Mittel zur Verfügung. 
Es ist dies zunächst die Beaufsichtigung in jenem allge- 
meinen Sinne, nach welchem sie notwendiges Attribut jeder 
Staatsthätigkeit und mithin auch der Beaufsichtigung des Reiches im 
engeren Sinne ist. Ihrem Inhalte nach, welchem die Pflicht der 
Einzelstaaten zur Offenlegung aller das Reich interessierenden 
That- und Rechtsbestände entspricht, ist sie identisch mit der „Über- 
wachung“. Allein von letzterer unterscheidet sich die allgemeine 
Beaufsichtigung dadurch, dafs sie nicht als Attribut der kaiserlichen 
Gewalt anerkannt ist. Und gerade darum wird ihre Ausübung: die 
Aufforderung zu Berichterstattungen, die Absendung von Kommissaren 
und Kommissionen, die Beanstandung einzelner Mafsregeln — überall 
auf Beschlüssen des Bundesrates beruhen müssen. 
Im übrigen ist es das Recht der Exekution nach Malsgabe 
der R.V. a. 19, welches für jede weitere Malsregel der Beaufsichtigung 
vor ergehendem Reichsrecht die verfassungsmäfsige Grundlage bildet. 
Auf ihr insbesondere beruht das Recht des Bundesrates, darüber zu 
entscheiden, ob irgend welches Verhalten des Einzelstaates auf den der 
Reichskompetenz unterliesenden Verwaltungsgebieten mit dem mals- 
gebenden Partikularrechte und zugleich mit dem Interesse des Reiches 
in Widerspruch stehe und ob demgemäfs dem Einzelstaate die ver- 
fassungsmälsige Verpflichtung gegenüber dem Reiche obliege, seine 
ausführende Thätigkeit mit den Anforderungen des Partikularrechtes 
und dadurch des Reichsinteresses in Einklang zu setzen. — 
Im Gegenteil zu dieser beschränkteren Gestaltung der Aufsichts- 
mittel vor der reichsgesetzlichen Regelung der der Reichskompetenz 
anheimfallenden Angelegenheiten ist die Behauptung aufgestellt worden, 
dafs gerade in diesem Falle die Beaufsichtigung sich erweitere zu 
einem mittelbaren Verordnungsrecht des Reiches. Demgemäfs 
soll in allen den Fällen, in denen, obgleich das Interesse des Reiches 
eine Übereinstimmung des Rechtes fordert, trotzdem aber aus irgend 
welchem Grund der Weg der Gesetzgebung nicht beschritten wird, 
der Bundesrat von Aufsichts wegen befust sein, die Einzelstaaten zu
	        
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