322 II. Buch. Die Reichsgewalt.
als solchen richten und seine Rechtsstellung ist es, welche in letzter,
nach Scheitern des normalen Verlaufes eintretender Instanz durch die
Vollziehung der Exekution betroffen wird, mag dieselbe einen Zwang
behufs Handhabung der landesherrlichen Rechte ausüben oder behufs
unmittelbarer Durchsetzung die landesherrliche Autorität suspendieren.
Das aber heilst nichts anderes, als im Umkreis der Beaufsichtigung
des Reiches und diesem gegenüber ist auch der Landesherr verant-
wortlich.
Mit dem allen ist: die Beaufsichtigung ein Recht des Reiches auf
Verantwortung der Staatsgewalt der Einzelstaaten als geschlossener
Einheiten und darum gerade in ihren repräsentativen und leitenden
Organen; sie ist damit zu ihrem Teile Negation der Suveränetät der
Einzelstaaten schlechthin, auch in ihren obersten Organen, den Landes-
herren.
II. In dem Grundverhältnis, welches die beiden Elemente der
Selbständigkeit der Einzelstaaten und der Beaufsichtigung des Reiches
zu einem Verantwortlichkeitsverhältnis verschmilzt, wird die besondere
Art des Zusammenwirkens geregelt, welches zwischen beiden Staats-
wesen behufs Erfüllung der Aufgaben des Reiches erforderlich ist.
Diese rechtliche Ordnung weist alle diejenigen wesentlichen Merk-
male auf, die im Einheits- oder Einzelstaate den positivrechtlichen
Begriff der korporativen Selbstverwaltung ausmachen. In einer voll-
kommen zutreffenden Analogie hat man daher die Einzelstaaten und
ihre Rechte im Verhältnis zum Reiche als Selbstverwaltungs-
körper und als Selbstverwaltung bezeichnet.
Allein es ist dies immer nur eine Analogie. Denn das Wesen der
Selbstverwaltung, wie es der Einheits- oder Einzelstaat aufweist, fordert
es, dafs der korporative Verband, als öffentlichrechtliche Erscheinung,
in seiner Totalität von der Beaufsichtigung ergriffen und damit in
einem seine gesamte Öffentliche Rechtsstellung ergreifenden Verant-
wortlichkeitsverhältnisse dem Staate eingegliedert sei. Im Verhältnis zum
Reiche aber ist die „Selbstverwaltung“ nur dieabstrakte Hervorhebung
einer einzelnen Seite der Rechtsstellung des Einzelstaates. Sie ver-
schmilzt in der realen Erscheinung des Rechtes mit einer anderen
Seite, mit der Loslösung von jeder Beaufsichtigung des Reiches auf den
seiner Kompetenz nicht unterliegenden Verwaltungsgebieten, auf welche
der Einzelstaat nicht minder ein verfassungsmäfsiges Recht hat. Diese
Verschmelzung gerade ist es, die dem positivrechtlichen Begriffe der
Selbstverwaltung schlechthin widerspricht. Sie beweist, dafs die An-
wendung dieses Wortes nur ein wissenschaftliches Hülfsmittel ist, um
einen aus dem Zusammenhang herausgerissenen Kompiex von Rechten