Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

324 II. Buch. Die Reichsgewalt. 
Allein diesem weiteren steht der engere Begriff der „eigenen 
und unmittelbaren Verwaltung“ gegenüber, wie er durch das 
Gesetz vom 17. März 1878 über die Stellvertretung des Reichskanzlers 
positivrechtlich ausgeprägt worden ist. Hiernach bezieht sich der engere 
Begriff ausschliefslich auf die rechtliche Gestaltung der vollziehen- 
den Gewalt auf den Gebieten der Reichskompetenz. Und zwar 
bildet er den ausschlielsenden Gegensatz zu der Beaufsichtigung 
des Reiches,‘ welcher das verfassungsmälsige Recht der Einzelstaaten 
auf Ausführung der Reichsgesetze kraft ihrer Autorität und durch ihren 
gegenüber dem Reiche geschlossenen Staatsorganismus entspricht. Ist 
diese die partikularistische, föderalistische, so ist die „eigene und un- 
mittelbare Verwaltung“ die einheitliche, centralisierte Gestaltung der 
vollziehenden Gewalt für die Zwecke der Reichsverwaltung. Sie ist ihrem 
allgemeinen Begriffe nach das eigene Recht des Reiches auf Durch- 
führung der Vorschriften, der Gebote oder Verbote, sowie der Er- 
mächtigungen der Gesetze durch die hierzu erforderlichen Befugnisse 
der Vollziehung. Sie bezeichnet daher den Punkt, an welchem dem 
Reiche eine vollziehende Gewalt im eigentlichen Sinne des Wortes, 
sei es schlechthin sei es in einzelnen Befugnissen, kompetiert. 
Innerhalb dieses allgemeinen Begriffes weist diese Kompetenz eine 
mannigfache Verschiedenartigkeit nach ihrer Stellung zu den Einzel- 
staaten und in ihren Thätigkeitsformen, nach dem Umfang der in ihr 
enthaltenen Befugnisse und nach deren Verteilung über die Verwal- 
tungsgebiete auf, aber sie ist zugleich eine rechtlich scharf begrenzte. 
1. Die eigene und unmittelbare Verwaltung des Reiches findet, 
um den Ausdruck zu gebrauchen, ihr natürliches Gebiet an den Ver- 
waltungsangelegenheiten, die in der positivrechtlichen Gestaltung, die 
sie gefunden haben, ihrer Natur nach aulserhalb und über der 
Rechts- und Machtsphäre des Einzelstaates liegen. Dahin 
sehören insbesondere die Verwaltung der völkerrechtlichen Befugnisse 
des Reiches als Gesamtmacht, seine Finanzwirtschaft, soweit sie die 
Verwaltung der ihm zuflieisenden Einnahmen und Ausgaben und des 
ihm zustehenden Vermögens betrifft, die Ausübung der Dienstgewalt 
über seine Behörden, die Friedensbewahrung unter den Einzelstaaten. 
Allein das positive Recht hat die vollziehende Gewalt des Reiches 
über dieses Gebiet hinaus erstreckt. Sie greift in einer ganzen Reihe 
von Anwendungsfällen auch auf solchen Verwaltungszweigen Platz, 
deren Vollziehung sich im Inneren, also innerhalb des Macht- 
bereiches des Einzelstaates, entwickelt. Dadurch aber gerade geschieht 
es, dals die Zwischenstellung, welche den Einzelstaaten zwischen dem 
Reiche und zwischen ihren Behörden, Selbstverwaltungskörpern und
	        
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