Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

334 II. Buch. Die Reichsgewalt. 
Nebeneinander gleichartiger Rechte beider Teile liegt die Eigentünm- 
lichkeit der Kompetenzverhältnisse auf diesem Gebiete. Neben der 
Bundes- oder Reichspflege besteht die Staatspflege der Einzel- 
staaten. 
In einer abstrakten Betrachtung kann das Nebeneinander als der 
Verlauf einer einfachen Parallele gedacht werden, dergestalt, dafs die 
gleichartigen Rechte jedem von beiden Teilen je für seine Organisation 
und für seinen Wirkungskreis unabhängig und unberührt voneinander 
zustehen. Allein die Zusammenfassung der Einzelstaaten zu einem 
höheren Organismus, dessen Glieder jene sind, bringt es mit sich, dals 
auch bei einer solchen grundsätzlichen Abgrenzung Wechselwirkungen 
entstehen, welche eine planmäfsige Auseinandersetzung für die Zu- 
ständigkeit und Ausübungsweise der beiderseitigen gleichartigen Rechte 
in einer verfassungsmäfsigen Ordnung erforderlich machen. Es ent- 
wickeln sich gegenseitige Beschränkungen, welche aber einer ver- 
schiedenen Gestaltung oder Steigerung fähig sind. 
Notwendig folgt es aus der Eingliederung der Einzelstaaten nicht 
nur negativ, dals die Ausübung ihrer in der Staatspflege begriffenen 
Rechte sich nicht gegen die Interessen und Rechte der Gesamtheit 
richten darf. Es folgt nicht minder positiv, dafs die kompetenz- 
mälsige Ausübung dieser Rechte seitens des Bundes jede solche Aus- 
übung der gleichartigen Rechte seitens des Einzelstaates rechtlich un- 
zulässig macht, welche die rechtlichen und thatsächlichen Wirkungen 
der ersteren hemmt oder aufhebt. Das Recht des Bundes geht auch 
in diesem Sinne dem Rechte des Einzelstaates vor. 
Weit darüber hinaus aber liegt es, wenn der Bund die hier ein- 
schlagenden Verwaltungszweige mit der Wirkung zur Ausschlielslich- 
keit erhebt, dafs sie das gleichartige Recht des Einzelstaates beseitigt. 
So mögen die völkerrechtlichen Hoheitsrechte, die Militärmacht, die 
Steuergewalt des Bundes die entsprechenden Befugnisse der Einzel- 
staaten aufsaugen. Freilich — ist dies nach positivem Rechte der 
Fall, dann wird sich mit innerer Notwendigkeit daraus die Folge ent- 
wickeln, dals der Bund seinerseits für die Einzelstaaten das leisten 
muls, was sie selbst zu leisten rechtlich aulser stande gesetzt sind. 
Der Bund wird verfassungsmälsig verpflichtet sein, durch seine Rechts- 
und Machtmittel den Einzelstaaten den völkerrechtlichen und militä- 
rischen Schutz und vielleicht in einer Umkehr des Matrikularbeitrags- 
systemes das Einkommen zu verschaffen, die sie in ihrem Interesse 
bedürfen. Dann aber wird der Bund zugleich eine eigentümlich ge- 
wandte Stellung über den Einzelstaaten als Vormacht und Schutz- 
macht behaupten.
	        
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