$ 57. Die Reichsorgane. 337
liche. Denn der Natur der Sache nach liegt jede Bestimmung über
die äufsere Formation oder über die innere Ordnung der Reichsorgane
über die Rechtsmacht jedes Einzelstaates hinaus.
Allerdings tritt hiermit eine besondere Erscheinung, die Einwirkung
nämlich der Partikulargesetzgebung auf zwei der Hauptorgane, in einen
scheinbaren Widerspruch.
Das deutsche Kaisertum ist nach R.V. a. 11 verknüpft mit dem
preulsischen Königtum. Infolgedessen ist es das preulsische Ver-
fassungsrecht über Thronfolge und Thronverwesung, welches zugleich
über Thronfolge und Verwesung im Reiche entscheidet.
Der Bundesrat besteht nach R.V. a. 11 aus von den Einzel-
staaten ernannten und instruierten Bevollmächtisten. Infolgedessen
entscheiden die partikularen Staatsdienstgesetze über Ernennung,
Bevollmächtigung und Verantwortlichkeit der Mitglieder des Bundes-
rates.
Allein trotzdem wird hierdurch nicht eine Erweiterung der Kompe-
tenz der Partikulargesetzgebung über die Organe des Reiches bewirkt.
Vielmehr ist diese Erscheinung nur eine Reflexwirkung der Partikular-
gesetzgebung über die partikularen Staatsorgane, als notwendige
Folge der durch die Reichsverfassung besründeten Verknüpfung
des Reichsoreanismus mit den zutreffenden Organen des Partikular-
staates.
b. Dagegen ist allerdings die Gesetzgebung des Reiches über seine
Hauptorgane im weitesten Umfang eine formell beschränkte. Denn
die äufsere und innere Ordnung derselben ist überwiegend Gegenstand
der Verfassung im formellen Sinne. Nur ein enger Raum verbleibt
teils der Autonomie einzelner Organe — in den Geschäftsordnungen
des Bundesrates und des Reichstages — teils der einfachen Gesetz-
gebung, welche insbesondere nach näherer Malsgabe von R.V. a. 20
für das Wahlgesetz des Reichstages ausreichend ist, teils dem Ver-
ordnungsrechte, wie dem Reglement für die Reichstagswahlen.
Diese Rechtslage wird für das Reich dadurch verschärft, dafs den
Einzelstaaten bezüglich der Bildung der Hauptorgane besondere Rechte
zugeschrieben sind. Es ist dies geschehen teils durch die Verfassung
selbst in der Personalunion des preufsischen Königtums mit dem
deutschen Kaisertum, in der jedem Einzelstaate zugewogenen Stimmen-
zahl im Bundesrate, in den ständigen Sitzen einzelner Staaten in den
Bundesratsausschüssen. Es ist dies aber auch geschehen durch vertrags-
mälsige Zusicherungen an einzelne Bundesstaaten: die Ver-
tretung Bayerns im Präsidium des Bundesrates nach dem bayerischen
Schlulsprotokoll vom 23. November 1870 IX, die Vertretung Sachsens
Binding, Handbuch. V. 1: Hänel, Staatsrecht. 1. 22