$ 57. Die Reichsorgane. 341
Einzelstaaten auch auf dem Gebiete der Reichskompetenz der Voll-
ziehung dienen. Nur soweit dem Reiche nach verfassungsgesetzlichen
Specialbestimmungen das Recht eigener und unmittelbarer Verwaltung
zusteht, entwickelt sich seine Organisationsgewalt auf den zutreffenden
Verwaltungszweigen zu derselben Bedeutung wie die des Einheits-
staates. Nur hier insbesondere ist es befugt, sich in derselben Weise,
wie der letztere, korporative Verbände in dem Rechtsverhältnis der
Selbstverwaltung anzugliedern.
Innerhalb des bezeichneten Umfanges aber entwickelt sich die
Organisationsgewalt des Reiches in Gesetzgebung und Vollziehung
genau so wie die des Einheitsstaates oder des Einzelstaates innerhalb
seiner Rechtssphäre. Das hat seinen zureichenden Ausdruck in R.V.
a. 18 und daraufhin insbesondere in dem Reichsbeamtengesetz vom
31. März 1871 gefunden.
Soweit daher die Reichsverfassung nicht unmittelbar bestimmte
Vorschriften über einzelne Behörden und einzelne Beamtenverhältnisse
gegeben hat?, soweit ist es Sache des Reiches und zwar seine aus-
schliefsliche Sache, in freier Erwägung des Notwendigen und Nütz-
lichen® durch seine (zesetzgebung und durch sein Verordnungsrecht
die Anordnungen über sein Behördensystem und die Regelungen seiner
Beamtenverhältnisse im vollen Umfange zu treffen. Eine Einwirkung
des partikularen Gesetzgebungs- und Verordnungsrechtes kann hier-nur
kraft besonderer reichsgesetzlicher Ermächtigung stattfinden ®.
Insbesondere gebührt auch über das Behördensystem und das
Beamtenverhältnis die vollziehende Gewalt dem Reiche. Die Ein-
setzung der Behörden, die gesamte Erledigung der Personalverhältnisse
in Anstellung, Vereidigung und Entlassung, die Leitung des Dienstes
und die Handhabung der Diseiplin, die ökonomische Ausrüstung und
Versorgung der Behörden und Beamten erfolgt durch die eigenen
Organe des Reiches in eigener Thätigkeit und zwar regelmälsig durch
den Kaiser und die von ihm ermächtigten Behörden, in einzelnen
durch Verfassung oder Gesetz bestimmten Fällen unter Mitwirkung
* S. insbesondere R.V. aa. 36. 50. 53. 56. 64. 66.
5 Diese Erwägungen können auch dahin führen, einzelne Funktionen des
Reiches kraft seiner Anordnung auf Partikularbehörden zu übertragen, so die
Reichsschuldenverwaltung auf die preufsische Hauptverwaltung der Staats-
schulden durch Gesetz vom 19. Juli 1869, die Funktion des Rechnungshofes
des deutschen Reichs auf die preufsische Oberrechnungskammer durch Gesetz
vom 4. Juli 1868, die centrale Heeresverwaltung auf das preufsische Kriegs-
ministerium, die Aufsicht über das Zoll- und Steuerrechnungsbureau auf das
preulsische Finanzministerium.
6 5. Beamtengesetz vom 31. März 1873 88 19. 20.
