$ 58. Die Mitgliedschaft der Einzelstaaten. 343
zählt, sondern allein den Bundesschlufs zwischen dem norddeutschen
Bund und den süddeutschen Staaten berichtet, nur noch in dem
weiteren Texte des Gesetzes und zwar in zwei Reihen seiner Be-
stimmungen gefunden werden.
Zunächst an der Spitze, im ersten Artikel. Zweifellos hat
derselbe, wie nicht nur der Text, sondern auch die Überschrift beweist,
zu Seiner nächsten und eigentlichen Absicht, das „Bundesgebiet“
zu bezeichnen. Allein um dies zu bewirken, begnügt sich die Verfassung
nieht, die Auslandsgrenzen und damit die einbegriffene Inlandsfläche
zu beschreiben. Vielmehr zählt sie die einzelnen „Staaten“ ausdrück-
lich auf, „aus denen“ das Bundesgebiet „bestehen“ soll. Sie
bringt dadurch die Absicht zum vollen Ausdruck, dafs das Bundes-
gebiet nicht schlechthin als ein einheitliches, von dem Bestande der
Einzelstaaten absehendes und darum nur nach aulsen der Abgrenzung
bedürftiges in rechtlichen Betracht gezogen ist. Vielmehr will sie
dasselbe auch nach seiner inneren Gliederung als ein zusammen-
gesetztes, das Bundesverhältnis widerspiegelndes bestimmen. Damit
ist denn aber der Bestand der einzelnen aufgezählten Staaten als eine
verfassungsmälsige Notwendigkeit anerkannt, die darum nicht minder
zu Recht besteht, weil sie behufs Gliederung des Bundesgebietes ver-
lautbart wird!.
In gleicher Weise verfährt R.V. a.6. Auch hier geht die nächste
Absicht auf Regelung der Zusammensetzung und Willensbildung des
Bundesrates. Aber dieser soll bestehen aus den Vertretern der
„Mitglieder des Bundes“. Jedes derselben soll eine Stimme und
ı Um die Absicht der einzelstaatlichen Gliederung des Reichsgebietes
nicht verdunkeln zu lassen, bekämpfte der Reichskanzler ein Amendement,
welches bei den Verhandlungen des Reichstages vom 1. April 1871 das Wort
„Bundesgebiet“ durch „Reichsgebiet“ ersetzen wollte (Sten. Ber. S. 95). —
Im vollen Gegensatz behauptet Laband, Staatsrecht des deutschen Reiches
I 122, dafs die innere Einteilung des Bundesgebietes in 25 Staatsgebiete nicht
Gegenstand einer Anordnung der R.V.a. 1, sondern dafs dies nur die äulsere
Abgrenzung des Gebietes sei, welches den Territorialbestand des Reiches
bildet. Hiernach wäre die Aufzählung der einzelnen Staaten in dem Umfange
rechtlich irrelevant, dafs dem a. 1 der R.V. vollkommen genügt ist, wenn die
Einzelstaaten sämtlich verschwinden, vorausgesetzt nur, dafs die Aufsengrenze
des Reiches dadurch unberührt bleibt. Allein der Wortlaut des Artikels ist
nur mit der gerade entgegengesetzten Absicht, nämlich der auch der inneren
Gebietsgliederung, vereinbar. Die Auslegung ist aber nicht berechtigt, sich
über einen Wortlaut hinwegzusetzen, der einen durchaus sachgemäfsen, mit
keiner anderen Bestimmung des Gesetzes in Widerspruch stehenden Sinn
ergiebt, noch dazu um den Preis, scharf hervortretende Bestimmungen, wie die
Aufzählung aller Einzelstaaten, als rechtlich irrelevant erklären zu müssen.