$ 60. Die rechtliche Natur der Finanzwirtschaft des Reiches. 363
der Zollvereinsvertrag unter den Einzelstaaten konstituierte, wird auf-
gehoben; der Ertrag dieser Abgaben flielst in die Bundeskasse®. Das
Post- und Telegraphenwesen werden zu einheitlichen Staatsverkehrs-
anstalten eingerichtet und ihre Überschüsse fliefsen wiederum in die
Bundeskasse*. Endlich wird dem Bunde ein selbständiges, nicht
durch die Matrikularbeiträge vermitteltes Besteuerungsrecht mit der
Verschärfung eingeräumt, dafs dasselbe die ersteren ersetzen soll?°.
Ebenso sind die Ausgaben charakterisiert. Das Konsulatswesen
wird „vom Bunde ausgestattet‘. Dem „Bundesfeldherrn“, dem
„Kaiser“, dem Organe des Bundes und Reiches, liegt die Bestreitung
des Aufwandes des gesamten Heeres ob und es werden ihm zu diesem
Behuf die erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt”. Eben dem-
selben steht das Recht zu, Festungen anzulegen und die Bewilligung
der hierfür erforderlichen Mittel zu beantragen®.
Ebenso wird dem Bunde als solchem das Recht zugeschrieben,
Anleihen aufzunehmen und Garantieen „zu Lasten des Bundes“
zu übernehmen ’°.
In endgültiger Weise haben alsdann zwei Verfassungsartikel über
die rechtliche Natur. der Finanzwirtschaft des Bundes und jetzt des
Reiches entschieden.
Art. 69: „Alle Einnahmen und Ausgaben des Reiches müssen
für jedes Jahr veranschlagt und auf den Reichshaushaltsetat gebracht
werden. Letzterer wird vor Beginn des Etatsjahres — — durch ein
Gesetz festgestellt.“
Das heifst: Die gesamte Gestaltung und planmälsige Führung
der Finanzwirtschaft des Reiches steht, jeder rechtlichen Einwirkung
der Einzelstaaten entrückt, ausschlielslich unter der Gesetzgebung
des Reiches.
Art. 72: „Über die Verwendung aller Einnahmen des Reichs
ist durch den Reichskanzler dem Bundesrate und dem Reichstage
zur Entlastung jährlich Rechnung zu legen.“
Das heifst: Die Wirtschaftsführung des Reiches begründet keine
Abrechnungs- und Vertretungsverhältnisse der Einzelstaaten unter-
einander, sondern alle Verantwortlichkeitsverhältnisse, welche sich aus
der Führung der Finanzwirtschaft des Reiches ergeben, sind Rechts-
verhältnisse, welche ausschliefslich unter den Organen des Reiches als
solchen obwalten.
Diese Klauseln ergeben es als die zweifellose Absicht der Ver-
3 R.V. a. 38. + R.V. aa. 48. 49. 5 R.V. a.4 No. 2. a. 70.
6 R.V.a.4 No. 7. " Nd.V. u. R.V. a. 62. 8 R.V..a. 65.
’R.V. a. 72.