Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

364 II. Buch. Die Reichsgewalt. 
fassung, dals das Reich zur Führung einer selbständigen und von den 
Einzelstaaten losgelösten Wirtschaft berechtigt und verpflichtet ist. 
Sie bieten aber zugleich jeden erforderlichen Anhalt, um die Gesamt- 
auffassung im einzelnen näher zu bestimmen. 
l. Das Reich ist Fiskus. Das heilst: es ist rechtlicher Inhaber 
von vermögensrechtlichen Rechten und Pflichten, sowohl privatrecht- 
licher als öffentlichrechtlicher Natur!’ und es hat rechtliche Ver- 
fügung darüber. Und zwar ist dies das Reich in strenger Sonderung 
von dem Fiskus jedes: Einzelstaates. Das ist nicht nur eine notwen- 
dige Folgerung aus der rechtlichen Selbständigkeit seiner Wirtschaft, 
sondern es ist speciell ausgesprochen !!. Denn der Ausdruck „Reichs- 
kasse“ in der Verfassung ist nichts als der konkrete Ausdruck für 
die abstrakte Rechtsbezeichnung „Fiskus“ !?. 
2. Das Reich ist kompetent, die rechtliche Regelung seiner eigenen 
Wirtschaftsführung nach allen Seiten hin im Wege der Gesetzgebung 
und zutreffenden Falles des Verordnungsrechtes zu regeln und zwar 
in ausschliefslicher Weise. 
Das bezieht sich selbstverständlich auf die konstitutionelle 
und technische Regelung seines Etats-, Rechnungs- und 
Schuldenwesens. Denn hier steht nur die nähere Durchführung 
der durch die aa. 69 bis 73 der R.V. getroffenen Anordnungen in Frage. 
Aber es bezieht sich dies auch auf die Bestimmung der 
Rechtsstellung des Reichsfiskus. 
ı0 Fiskus ist der Staat nicht blofs, insofern er dem Privatrecht unter- 
liegt, sondern auch insofern er Subjekt von vermögensrechtlichen Verhält- 
nissen specifisch öffentlichrechtlicher Natur ist — berechtigt zu Steuern und 
Gebühren, verpflichtet zu Entschädigungen, Erstattungen und Dotationen. 
So das preulsische Landrecht II, 14 88 1. 81.83. Damit stimmt die Termino- 
logie der Reichsgesetze überein. | 
1 v, Martitz, Betrachtungen S. 35 leugnet die Existenz eines Fiskus 
des Bundes auf Grund der Verfassung; Seydel in Behrend, Zeitschrift für 
die Gesetzgebung VII 266 ff. nimmt erst eine allmähliche Anerkennung des 
Reichsfiskus durch die spätere Gesetzgebung an. 
ı2 Dals dies der Fall sei, ergiebt am schlagendsten eine einfache Gegen- 
überstellung des a. 11 des Zollvereinsvertrages vom 8. Juli 1867: „Der Ertrag 
der in die Gemeinschaft fallenden Abgaben wird zwischen den vertragenden 
Teilen — nach dem Verhältnis der Bevölkerung — verteilt“ mit R.V. a. 38: 
„Der Ertrag der — Abgaben — fliefst in die Reichskasse.“ Das kann doch 
schlechterdings nichts anderes bedeuten, als dafs in dem einen Falle die 
Einzelstaaten, in dem andern das Reich im Gegensatz zu diesen das berechtigte 
Subjekt zu jenem Ertrage ist. Genau in dem nämlichen Sinne braucht die 
schweizerische Bundesverfassung das Wort „Bundeskasse*, die Unionsver- 
fassung den Ausdruck „treasury*. Richtig Reincke in Gruchots Beiträgen 
XXLI 481.
	        
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