$ 60. Die rechtliche Natur der Finanzwirtschaft des Reiches. 367
Rechtssatz Geltung verschafft, dafs der Reichsfiskus in Ermangelung
reichsgesetzlicher Bestimmungen nach Malsgabe der für den Landes-
fiskus geltenden Rechtsnormen zu beurteilen sei. Allein dieser Rechts-
satz ist selbst Reichsrecht, welches die Anwendung der für den Landes-
fiskus gültigen Rechtsnormen vorschreibt, aber gerade damit den
Einzelstaaten ein Recht der Gesetzgebung über den Reichsfiskus als
solehen und in Abweichung von jenem Rechtssatz nicht einräumt.
3. Weiterhin — ist die Wirtschaftsführung des Reiehes Ausübung
einer verfassungsmäfsigen Kompetenz, so greift für sie das Platz, was
bei der Ausübung jeder anderen Kompetenz Geltung hat. Sie schliefst
jede Rechtsnorm, Einrichtung oder Malsregel des Einzelstaates aus,
welche ihre Wirksamkeit aufhebt oder beeinträchtigt oder sie auch
nur an besondere partikularrechtliche Bedingungen knüpft, soweit
nicht hierzu eine besondere reichsgesetzliche Ermächtigung gewährt
wird ??.
Daher ist kein Einzelstaat ohne reichsgesetzliche Zulassung befust,
das Vermögen oder das Einkommen, die Unternehmungen ?? oder die
Rechtsgeschäfte des Reiches mit öffentlichen Abgaben zu belasten.
Und das Nämliche gilt von den Gemeinden in den Einzelstaaten. Es
ist besondere Zulassune, wenn nach dem Gesetz vom 25. Mai 1873
$ 1 al. 2 der Reichsfiskus sich rücksichtlich der den Grundbesitz als
solchen treffenden Absaben dem für den Landesfikus geltenden Rechte
unterwirft°*.
Daher fernerhin können weder die Einzelstaaten noch die Ge-
meinden diejenigen Zuwendungen, welche das Reich zum Zwecke der
Erfüllung seiner Verwaltungsaufgaben macht, durch ihre Besteuerung
schmälern und beeinträchtigen, möge es sich hierbei um Gehalte, Pen-
sionen, Verzinsungen, Kapitalzahlungen oder sonstige Dotationen
handeln. Vielmehr ist auch dies nur auf Grund reichsgesetzlicher Zu-
lassung statthaft und unterliest der reichsgesetzlichen Regelung >.
Einzelstaates ist etwas anderes und wirkt anders, als der Landesfiskus es in
den auf das Reich übergegangenen Verwaltungszweigen that.
®2 Eine feine und durchgreifende Ausbildung hat diese Lehre in Theorie
und Praxis der Union gefunden. S. Story, Commentaries $$ 1032 ff. Cooley,
Constitutional limitations, 4. ed. S. 538 fl. Bump, Notes of constitutional
decisions S. 321 ft.
23 5. Postgesetz vom 28. Oktober 1871 $$ 16. 22.
2?* S. die überall zutreffende Motivierung des Gesetzentwurfes betr. die
Steuerfreiheit des Reichseinkommens — Drucksachen des Reichstages 1874'75
No. 22 — und die Verhandlungen darüber S. 143 ff. S. 266 ff.
25 Verordnung vom 22. Dezember 1868, betr. Einführung der in Preufsen
geltenden Vorschriften über die Heranziehung der Militärpersonen zu Kom-