Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

96 I. Buch. Die Grundlagen des deutschen Staates. 
Nicht ausgeschlossen war es, dals die Zustimmung des Landtages 
zu dem Augustbündnis oder zu dem vorbereitenden Vertrage mit 
Preufsen zugleich die Ermächtigung für die Regierung befafste, ein- 
seitie die zur Inkraftsetzung der Bundesverfassung erforderlichen 
Mafsregeln zu treffen. Aber diesen Weg hat nur ein einziger Staat 
betreten: Braunschweig“. 
In allen übrigen Staaten war die ständische Mitwirkung eine der 
Verfassungsvereinbarung nachfolgende. Und zwar gab den entscheiden- 
den Anstols hierfür Preüufsen. 
Als hier dem Landtage ein Gesetzentwurf vorgelegt wurde, der 
eine Wahlordnung enthielt, aber den Zweck und die Bedeutung der 
vorzunehmenden Wahlen nur durch die Überschrift: „Wahlgesetz für 
den Reichstag des norddeutschen Bundes“ bezeichnete, da wurde dem- 
selben amendierend als $ 1 vorausgeschickt: „Zur Beratung der Ver- 
fassung und der Einrichtungen des norddeutschen Bundes“. Scheinbar 
trat dieser Paragraph in Widerspruch mit der Bestimmung des August- 
bündnisses, welche dem Parlamente die Rolle der „Beratung und 
Gegenstand vor dem Zusammentritt des Parlamentes durch Übereinkunft mit 
den Bundesregierungen vertragsmälsig zu regeln.“ Hieraus ergiebt sich mit 
voller Deutlichkeit, dafs das Augustbündnis selbst und ebenso die Vorlage 
des Wahlgesetzes nach Auffassung der preufsischen Regierung der Frage nach 
der verfassungsmälsigen Mitwirkung der Partikularlegislaturen nicht präju- 
dizieren sollte und konnte. Mit Nachdruck hat dann — ohne Widerspruch 
seitens der Regierung — die Kommission des Herrenhauses — Drucksachen 
1866/67 No. 17 — festgestellt, dafs der vom Abgeordnetenhaus zugefügte $ 1 
des Wahlgesetzes, der nur die „Beratung“ der Verfassung dem Parlamente 
zuschrieb, in dem Sinne vollkommen überflüssig sei, dafs die Zustimmung 
des Landtages auch zu der vereinbarten Verfassung, soweit sie Bestim- 
mungen enthalte, „welche mit unserer Verfassung in Widerspruch stehen“, 
selbstverständlich sei. Auch die Reden Bismarcks stehen hiermit in 
keinerlei Widerspruch; sie beweisen nur, dafs er politisch der unmittelbaren 
konstituierenden Kraft der Verfassungsvereinbarung den Vorzug gab. Richtig 
ist nur, dafs einzelne Regierungen ursprünglich in dieser letzteren Auffassung 
das Augustbündnis gedeutet haben. 
.. + Verhandlungen des aufserordentlichen Landtages vom 16. bis 23. Juli 1866. 
Übrigens blieb die Auffassung der Regierung und des ständischen Aus- 
schusses, dafs durch die ständische Zustimmung zu dem Vertrage mit Preufsen 
(auf Grund der identischen Note vom 16. Juni 1866) der Regierung die Er- 
mächtigung zur einseitigen Verkündigung der norddeutschen Verfassung erteilt 
sei, nicht ohne Kontestation. In der Sitzung vom 10. August 1867 (Protokoll 44) 
wurde vom Abg. Häusler zum Ausschufsbericht der Antrag gestellt, dem 
Publikationspatente vom 25. Juni nachträglich die ständische Zustimmung zu 
erteilen. Er wurde gegen 3 Stimmen abgelehnt.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.