Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 60. Die rechtliche Natur der Finanzwirtschaft des Reiches. 369 
Einnahmen und Ausgaben des Reiches ist nichts anderes als der not- 
wendige finanzielle Ausdruck gewisser verfassungsmälsiger Exemtionen 
gewisser Einzelstaaten von den gemeingültigen Kompetenzen des Reiches. 
So wenig durch diese verfassungsmälsigen Exemtionen ein besonderes, 
gesellschaftliches Verhältnis der Einzelstaaten untereinander, sondern 
lediglich eine besondere verfassungsgesetzliche Rechtsstellung des Einzel- 
staates im Verhältnis zum Reiche begründet wird, so wenig sind jene 
ungleichen Beteiligungen an den Reichs-Einnahmen und -ausgaben der 
rechtliche Ausdruck für ein Gesellschaftsverhältnis der Einzelstaaten 
untereinander. Vielmehr sind sie lediglich ein durch jene Verfassungs- 
bestimmungen zgebotenes Abrechnungsverhältnis zwischen je dem 
eximierten Einzelstaat einerseits und dem Reiche andererseits, zwischen 
dem Landesfiskus und dem Reichsfiskus. 
Jene andere Erscheinung, dals die Einzelstaaten die Deckung des 
Deficits der eigenen Einnahmen des Reiches gegenüber seinem Ge- 
samtbedarf durch Matrikularbeiträge bewirken und dals ihnen neuer- 
dings gewisse Steuerüberschüsse überwiesen werden, ist in keinem 
Sinne die Realisierung von Rechten und Pflichten, welche den Einzel- 
staaten untereinander zustehen und obliegen. Sie ist in ihrem ersten 
Teile nichts als das verfassungsmälsige Besteuerungsrecht des Reiches 
gegen die Einzelstaaten als steuerpflichtige Subjekte. Sie beruht in 
ihrem zweiten Teile ausschliefslich auf Gesetzen des Reiches?®, durch 
welches dasselbe über die ihm selbst verfassungs- und gesetzmälsig 
zustehenden Einnahmen verfüst; sie ist nichts anderes als eine Dotation 
der Einzelstaaten durch das Reich von der nämlichen rechtlichen Natur, 
wie die Dotation es ist, welche z. B. Preufsen an seine Provinzen 
überweist ?°. 
Endlich — alle auf jene Erscheinungen gegründeten finanziellen 
Rechte und Pflichten der Einzelstaaten finden keine andere Möglichkeit 
der Geltendmachung, als diejenige ist, die für alle anderen aus Ver- 
fassung und (zesetz des Reiches fliefsenden Rechte und Pflichten der 
Einzelstaaten gegeben ist. Nirgends ist Raum für eine besondere 
Vertretungspflicht, welche aus diesen besonderen Verhältnissen dem 
einen gegen die anderen Einzelstaaten obläge. Immer können die aus 
diesen besonderen Verhältnissen entspringenden Pflichten der Einzel- 
staaten nur von den Organen des Reiches als solchen und ihre Rechte 
immer nur gegenüber diesen Reichsorganen zur Geltung gebracht werden. 
1. Juli 1881 
28 1 —— 
Gesetz vom 15. Juli 1879 8 8, vom 55. Mai 1885 $ 
1879 8 8. 
29 Preufs. Gesetze vom 30. April 1873 und vom 8. Juli 1875. 
Binding, Handbuch. V. 1: Hänel, Staatsrecht. ]. 24 
32, vom 15. Juli
	        
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