Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

372 I. Buch. Die Reichsgewalt. 
Reiche das Recht, das Postwesen nach Entschädigung der Einzelstaaten 
für seine Rechnung zu übernehmen und neue Telegraphenlinien an- 
zulegen, alte für sich zu expropriieren. Soweit aber diese Einnahme- 
quellen nicht ausreichen, ist das Reich grundsätzlich auf Matrikular- 
beiträge der Einzelstaaten angewiesen. Nur in „aulserordentlichen 
Fällen* ist es — abgesehen von der Anleihebefugnis — berechtigt, 
Reichssteuern aufzulegen, selbst zu erheben oder erheben zu lassen’. 
Die deutsche Unionsverfassung von 1849 wich noch 
weiter zurück. „Der Reichsgewalt ist ein unmittelbares Recht an 
irgend welchem Quantum der Landessteuern in den Einzelstaaten 
nicht zuerkannt, die Landessteuern sind vielmehr als ein ausschliels- 
liches und unantastbares Eigentum der Einzelstaaten in verfassungs- 
mälsigen Schutz genommen“ ®. Die Befugnis zum Erwerb von Post 
und Telegraphie ist gestrichen. Die Finanzwirtschaft des Reiches 
wird ausschliefslich und allein auf die Matrikularbeiträge der Einzel- 
staaten gestellt”. | | 
2. Der Verschiedenartigkeit dieser Vorbilder entspricht es, dafs 
bei der Entstehung der gegenwärtigen Verfassung Deutsch- 
lands bedeutsame Schwankungen stattgefunden haben. 
Der preuflsische Verfassungsentwurf vom 15. Dez. 1866 
hatte keine allgemeinen Bestimmungen über die Finanzwirtschaft des 
Bundes aufgestellt. Er begnügte sich damit, in den einschlagenden Ab- 
schnitten — Post- und Telegraphenwesen, Zoll- und Handelswesen — 
die eigenen Finnahmen des Reiches zu bezeichnen und bei den 
einzelnen grolsen Verwaltungszweigen die Art und Weise der Bedarfs- 
deckung vorzusehen. Erst die Beratungen der verbündeten Regierungen 
fügten den XII. Abschnitt: „Bundes-Finanzen“ ein. Insbesondere be- 
schlossen sie den art. 66 — jetzt 70 — in folgender Fassung: 
„Zur Bestreitung aller gemeinschaftlichen Ausgaben dienen zu- 
nächst die aus den Zöllen, den gemeinsamen Steuern und dem 
Post- und Telegraphenwesen fliefsenden gemeinschaftlichen Ein- 
nahmen. Insoweit dieselben durch diese Einnahmen nicht gedeckt 
werden, sind sie durch Beiträge der einzelnen Bundesstaaten nach 
Mafsgabe ihrer Bevölkerung aufzubringen, welche von dem Prä- 
sidium nach dem Bedarf ausgeschrieben werden.“ 
Mit dieser Fassung war die Absicht verbunden, den Bund auf 
bestimmte, auf die in der Verfassung selbst vorgesehenen Finanzquellen 
zu beschränken. Denn es ist uns ausdrücklich bezeugt, dals die 
5 R.V. aa. 35. 43. 44. 50. 5l. 6 Denkschrift vom 11. Juni 1849. 
? Vergl. die oben eitierten aa. der R.V. mit den gleichen $$ der U.V.
	        
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