378 II. Buch. Die Reichsgewalt.
wirtschaft nach den zutreffenden Gesichtspunkten der Zweckmälsig-
keit und Gerechtigkeit abzumessen. Eine freie Konkurrenz der Einzel-
staaten würde eintretenden Falles denselben das Recht geben, die
lesislatorischen Erwägungen und Voraussetzungen aufzuheben oder zu
verändern, unter denen das Reich allein seine Finanzmalsregel für ge-
rechtfertiet erachtet und darum gewollt hat. Es ist daher ein Recht
des Reiches, die von ihm beabsichtigte oder vorausgesetzte wirtschaft-
liche und finanzielle Wirkung seiner Finanzquellen, auch über die
Aufzählungen der Verfassung hinaus, dadurch zu wahren, dafs es den-
selben Ausschliefslichkeit beilegt. Demgemäls ist denn auch das
Reich widerspruchslos verfahren. Es hat die von ihm neu eingeführten
Steuern überall zu ausschliefslichen erhoben ’?!.
Damit gewinnt denn aber auch die Finanzwirtschaft des Reiches
im Verhältnis zu den Einzelstaaten an diesen Punkten ihren recht-
lichen Abschluls. Das Reich allein ist berechtigt sich jede Art der
Finanzquellen in jedem Umfange zu eröffnen und zwar im Wege der
einfachen Gesetzgebung und unter Ausschlufs einer gleichartigen Be-
steuerung der Einzelstaaten. Den Einzelstaaten verbleiben nur die-
jenigen Finanzquellen und sie verbleiben ihnen nur in dem Malse, als
sie das Reich nicht für sich in Anspruch nimmt. Die Kompetenz des
Reiches findet an diesem Punkte keine rechtlichen Grenzen, sondern
nur solche Beschränkungen, die ihm seine eigenen Erwägungen und
der Umfang seines Finanzbedarfes auflegen.
II. Das gemeingültige Recht über die Finanzquellen des Reichs
erleidet wesentliche Beeinträchtigungen durch die Exemtionen,
welche die Verfassung bestimmten Einzelstaaten eingeräumt hat.
In Bezug auf das Post- und Telegraphenwesen nehmen
Bayern und Württemberg eine Sonderstellung ein, welche ihren
finanzrechtlichen Ausdruck darin findet, dafs sämtliche Einnahmen aus
der Post- und Telegraphenverwaltung diesen beiden Staaten ver-
bleiben °?.
In gleicher Weise sind Bayern, Württemberg und Baden
nach R.V. a. 35 al. 2 sämtliche Einnahmen aus der Bier- und — bis
zum Gesetz vom 24. Juni 1887 — aus der Branntweinbesteuerung,
2ı Nach dem Wechselstempelgesetz vom 10. Juni 1869 $ 25, dem
Spielkartenstempelgesetz vom 3. Juli 1878.8 27, dem Reichsstempel-
1. Juli 1881
5.85 17. 29.
abgabengesetz vom 50 Mai 1885
?2 R.V. a. 52.