$ 62. Die regulativen Grundsätze der Reichsfinanzwirtschaft. 385
der Einzelstaaten in der Aufbringung des wirtschaftlichen Be-
darfes des Reiches. |
Allerdings hat, abgesehen von den Matrikularbeiträgen, die Ver-
fassung einen eemeingültigen Malsstab für das Gleichmals der Be-
lastung der Einzelstaaten nicht aufgestellt; insbesondere hat sie die
Kontingentierung der Reichssteuern auf die Einzelstaaten nicht
vorgesehen!?. Vielmehr enthält der Grundsatz nur die dreifache
Richtschnur:
einmal, dals die Umlegung der Reichsabgaben nicht nach einem
verschiedenen Mafsstab zu Gunsten oder zu Ungunsten einzelner
Staaten erfolge'*;
sodann, dafs kein Einzelstaat von der Verpflichtung, zur
Deckung der gemeingültigen Ausgaben des Reiches verhältnismälsig
beizutragen, befreit werde;
endlich, dafs ein einzelner Staat durch das Reich im gemein-
schaftlichen Interesse nicht unverhältnismälsig belastet oder durch
besondere Leistungen des Reiches nicht einseitig begünstiet
werden darf.
In scharfer Zuspitzung spricht das die Verfassung a. 58 in An-
wendung auf das Reichskriegswesen aus:
„Die Kosten und Lasten des gesamten Kriegswesens des Reiches
sind von allen Bundesstaaten und ihren Angehörigen gleichmälsig
zu tragen, so dafs weder Bevorzugungen noch Prägravationen ein-
zelner Staaten oder Klassen grundsätzlich zulässig sind. Wo die
gleiche Verteilung der Lasten sich in natura nicht herstellen lälst,
ohne die öffentliche Wohlfahrt zu schädigen, ist die Ausgleichung
nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit im Wege der Gesetzgebung
festzustellen.“
Aber die Verfassung selbst hat diesem Grundsatz eine die ge-
samte Finanzwirtschaft umfassende Wirksamkeit beigelegt. Es ist
dies geschehen durch die Vorschriften, welche für die von den gemein-
gültigen Finanzquellen des Reiches eximierten Einzelstaaten be-
stimmt sind. \
Sie beziehen sich zunächst auf die Zollausschlüsse. Für sie
13 Dies ist geschehen in der amerikanischen Unionsverfassung für die
„direct taxes“ — art. I sect. 2 al. 3 u. sect. 9 al. 4 —, worunter die Praxis
nur Kopf- und Grundsteuer verstanden hat.
14 Dies schliefst selbstverständlich eine besondere Art der Besteuerung
einzelner Gebietsteile des Reiches in Berücksichtigung ihrer besonderen wirt-
schaftlichen Verhältnisse nicht aus, z. B. die frühere besondere Branntwein-
steuer in Hohenzollern, Gesetz vom 4. Mai 1868 und 15. November 1874.
Binding, Handbuch. V. 1: Hänel, Staatsrecht. 1. 25