Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

386 II. Buch. Die Reichsgevwalt. 
wird durch R.V. a. 38 al. 315 die Verpflichtung begründet, an 
Stelle der Zölle und der in Artikel 35 bezeichneten Abgaben ein 
Aversum, als Beitrag zu den gemeingültigen Reichsausgaben, zu 
bezahlen, d. h. eine Pauschsumme, welche dem Ertrage entspricht, 
welcher voraussichtlich bei Anwendung der Zoll- und Steuergesetze 
auf die Zollausschlüsse erzielt werden würde '®. 
Jene Vorschriften beziehen sich sodann auf die Befreiungen, 
welche Bayern, Württemberg, Baden und Elsafs-Lothringen von der 
Bierbesteuerung zustehen, sowie auf die Befreiung Württembergs und 
Bayerns von der Verpflichtung zur Ablieferung der Post- und Tele- 
grapheneinnahmen an die Reichskasse.. Hierfür wendet die Ver- 
fassung!? a. 38 al. 4 und a. 52 al. 4 die Klausel an: die eximierten 
Einzelstaaten haben an dem Ertrage der bezeichneten Steuern, ein- 
schliefslich der entsprechenden Aversen und Übergangsabgaben , sie 
haben an den Einnahmen des Post- und Telegraphenwesens „keinerlei 
Teil“. Die Klausel ist in ihrer negativen Fassung nur eine Arniweisung, 
in welcher Weise die Verrechnung behufs der Ausgleichung zwischen 
den eximierten Einzelstaaten und der Reichskasse zu bewerkstelligen 
sei. Ihrer Wirkung nach und in positiver Fassung besagt sie aber 
nichts anderes als: die Matrikularbeiträge der eximierten Einzelstaaten 
werden in einem Betrage erhoben, welcher unter der Voraussetzung 
auf sie trifft, dals die Summe, welche die Post- und Telegraphen- 
überschüsse und der Ertrag der eximierten Verbrauchssteuern für die 
Reichskasse abwerfen, auch in den übrigen Staaten durch Matrikular- 
beiträge gedeckt werden mülste. Damit ist denn auch in diesem Falle 
der Grundsatz der Gleichbelastung zu vollem Ausdruck gebracht. 
Das, was die Verfassung selbst grundsätzlich angeordnet hat, ist 
dann in der Reichsgesetzgebung zu weiterer Durchführung gelangt, 
insbesondere an drei Punkten: 
1. Der Reichsetat hat einzelne Staaten von den betreffenden Aus- 
gaben entlastet, wenn sie durch ihre eigenen Organe Angelegenheiten 
wahrnehmen, die für die übrigen Staaten durch Reichsorgane besorgt 
werden, oder wenn sie die von ihnen besoldeten Beamten dem Reiche 
15 Für Helgoland.durch Gesetz vom 15. Dezember 1890 $ 2. 
16 Die Berechnung geschieht dergestalt, dafs die Zollausschlüsse für jeden 
Kopf ihrer Bevölkerung soviel zahlen, als der Nettoertrag der Zölle und 
Verbrauchssteuern für den Kopf des Zollgebietes ergiebt; für die städtische 
und vorstädtische Bevölkerung von Bremen und Hamburg tritt hierzu in 
Rücksicht auf ihre Konsumtionsverhältnisse ein fester Zuschlag für den Kopf 
(jetzt 5 Mark). 
17 Für Elsafs-Lothringen das Gesetz vom 25. Juni 1873 8 4.
	        
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