Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

410 IL. Buch. Die Reichsgewalt. 
sondern ihre Benutzung oder Nichtbenutzung ist der Entschlielsung 
jedes Einzelnen in freier Erwägung seines Privatinteresses anheim- 
gegeben. 
Die Thatsache, dafs es der Staat ist, welcher die wirtschaftlichen 
Dienstleistungen veranstaltet, ändert an dem Wesen derselben nichts. 
Vielmehr beruht gerade hierauf die Eigenart der staatlichen Thätig- 
keit auf diesem Gebiete, welche sie von anderen technischen Funk- 
tionen und insbesondere von allen solchen Funktionen des Staates 
unterscheidet, die sich in Geboten und Verboten, in herrschaftlichen 
Befugnissen darstellen. Der Gesamtbetrieb und die einzelnen Ver- 
waltungsakte des Staates bleiben ihrem inneren Gehalt nach immer 
mit privatwirtschaftlichen Unternehmungen und mit deren Rechtsge- 
schäften gleichartig, auch dann, wenn sie höheren Gesichtspunkten 
Rechnung tragen und den Formen des öffentlichen Rechtes unter- 
geordnet werden. 
Das, was den Staatsbetrieb des Post- und Telegraphenwesens 
allein mit Notwendigkeit von gleichartigen Privatunternehmungen 
unterscheidet, das ist die Organisation des leitenden Personales zu 
öffentlichen Behörden und die Erhebung der Dienstverrichtungen zum 
Inhalt von Beamtenpflichten. Im übrigen entscheidet weder die 
Natur des Staates im allgemeinen noch das Wesen dieser seiner be- 
sonderen Thätigkeit, sondern es entscheidet allein das positive Recht, 
ob das Post- und Telegraphenwesen im Verhältnis zum Publikum dem 
öffentlichen Rechte oder dem Privatrechte oder einer Verbindung 
beider unterstellt wird, ob und in welchem Umfange dieselben im 
Verhältnis zu gleichartigen Privatunternehmungen mit besonderen 
Vorrechten und Zwangsrechten ausgestattet sind, ob endlich beide An- 
stalten im Verhältnis zur Finanzwirtschaft des Staates nur dem Ge- 
bührenprinzip unterliegen, d. h. ob ihre Einnahmen nur zur Deckung 
ihrer Kosten bestimmt und bemessen sind oder ob sie zugleich als 
Unternehmungen, als Finanzquellen schlechthin, d. h. als Deckungs- 
mittel auch für anderweitige Staatsausgaben dienen sollen. 
Die deutsche Reichsverfassung schreibt vor, dals das Post- und das 
Telegraphenwesen für das gesamte Gebiet des deutschen Reichs als 
Staatsverkehrsanstalten eingerichtet und verwaltet werden — 
art. 48. Aber sie schliefst gleichzeitig die Anerkennung, zum mindesten 
die Notwendigkeit des reinen Gebührenprinzipes aus. Sie macht in 
den Artikeln 49, 51 und 70 die ausdrückliche Voraussetzung, dafs die 
Einnahmen nicht nur die Ausgaben decken, sondern dafs sie „Über- 
sechüsse“ in die Reichskasse „für allgemeine Reichszwecke“
	        
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