Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

438 II. Buch. Die Reichsgewalt. 
Sie ist Schärfungsmalsregel, welche durch eine besondere 
Gestaltung des allgemeinen, den Belagerungszustand begründenden 
Thatbestandes gerechtfertigt wird und darum nur zeit- und distrikts- 
weise und niemals über die räumliche und zeitliche Begrenzung des 
Belagerungszustandes hinaus erfolgen soll '®. 
Sie ist ferner nicht Gesamtmalsregel; vielmehr bestimmt das 
zweckmälsige Ermessen, ob nur einzelne, ınehrere oder alle genannten 
Verfassungsartikel der Suspension unterliegen. 
Endlich und in der Hauptsache ist die Suspension der Verfassungs- 
artikel nur die für den preulsischen Staat zutreffende und anwendbare 
Form. Der materielle juristische Gehalt der Malsregel be- 
steht in einer doppelten Ermächtigung. 
Zunächst in der Ermächtigung, diejenigen Specialgesetze, 
welche dem Gegenstande nach in den Artikeln der preufsischen 
Verfassung bezeichnet sind, aulser Kraft zu setzen. Es sind dies die 
gesetzlichen Vorschriften über die Voraussetzungen und Formen, unter 
welchen eine Beschränkung der persönlichen Freiheit durch Verhaftung 
im weitesten Wortsinn, eine Beschränkung der Unverletzlichkeit der 
Wohnung durch Eindringen in dieselbe und durch Haussuchungen, 
eine Beschlagnahme von Briefen und Papieren, eine Beschränkung 
der Prefs-, Versammlungs- und Vereinsfreiheit bewirkt und die be- 
waffnete Macht zur Unterdrückung innerer Unruhen und zur Aus- 
führung der Gesetze verwendet werden kann. An die Stelle dieser 
gesetzlichen Specialbestimmungen tritt, sofern und soweit von der Er- 
mächtigung der Suspension Gebrauch gemacht wird, das freie Ermessen 
der Militärbefehlshaber und der ihnen untergeordneten Organe, welches 
nur in dem vorgezeichneten Zwecke seine materielle Schranke findet. 
Hierzu tritt die zweite Ermächtigung, die gesetzliche Kompetenz 
der ordentlichen Strafgerichte zu suspendieren und an deren Stelle 
Ausnahmegerichte zu errichten. Es sind dies die „Kriegsgerichte“, 
für welche das preulsische Gesetz!? die Zusammensetzung, ein be- 
sonderes Verfahren und ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis zu den 
militärischen Befehlshabern '° vorschreibt. Jedoch: tritt die Kompetenz 
14 Das „distriktsweise“ enthält eine schärfere Begrenzung allerdings nur 
dann, wenn der Belagerungszustand für das ganze Staatsgebiet erklärt ist. 
Selbst in diesem Falle ist es nicht ausgeschlossen, dafs, beim Zutreffen der 
thatsächlichen Voraussetzungen, durch eine Addition der distriktsweisen Er- 
klärungen der Suspensionsmafsregel das ganze Staatsgebiet ergriffen ‚würde. 
15 88 11—15. 
16 Bestimmung der Zahl und Sprengel der Kriegsgerichte, Ernennung, 
beziehentlich Bestallung der Mitglieder, Bestätigung der Todesurteile.
	        
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