$ 74. Die Reichsexekution. 445
fassungsvertrag III $ 5. VI nur die Kompetenz des Reiches, ein mit
dem preulsischen Gesetz gleichartiges Reichsgesetz zu erlassen, welches
aber für Friedenszeiten der dem König von Bayern verfassungsmälsig
vorbehaltenen Militärhoheit wird Rechnung tragen müssen.
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Die Reichsexekution.
In der eigentümlichen Konstruktion ihrer Gewalten und ihrer
Organisationen, insbesondere der Gerichtsbarkeit, welche alle Bundes-
kompetenzen zu eigener und unmittelbarer Verwaltung erhebt und allen
Ungehorsam in einzelne Rechtsfälle aufzulösen versucht, schlielst die
Verfassung der Vereinigten Staaten Amerikas eine direkte Zwangs-
gewalt gegen die Einzelstaaten als solche aus. Nicht so die Verfassung
der Schweizer Eidgenossenschaft. Sie ist im weiten Umfang bei der
Durchführung ihrer Kompetenzen auf die Mitwirkung der Kantone ge-
stellt und bedarf darum der Zwangsrechte auch gegen den Ungehorsam
derselben. Der Bundesversammlung schreibt daher die Verfassung a. 85
Nr. 8 ganz allgemein die Befugnis zu, „Mafsregeln“ zu beschliefsen,
„welche die Erfüllung der bundesmälsigen Verpflichtungen zum Zwecke
haben“!. Allein die Mittel der Zwangsgewalt sind in der Bundes-
verfassung selbst nicht definiert. Die Eidgenossenschaft wird daher
äulsersten Falles auf ihre militärische Macht angewiesen sein. Nur
liest es zweifellos in ihrer Kompetenz, sich unmittelbar wirksame
Zwangsmittel im Wege der Gesetzgebung zu verschaffen, wie ihr z. B.
das Wasserpolizeigesetz vom 22. Juni 1877 das Recht zuspricht, bei
Säumnis der Kantone die gesetzlich gebotenen Malsregeln auf deren
Kosten selbst auszuführen, ja die zur Ausführung der bundesgesetzlichen
Normativen erforderlichen kantonalen Gesetze und Verordnungen an
Stelle der Kantone mit Rechtsverbindlichkeit selbst zu erlassen. Nur im
Falle der Bestreitung der Kompetenz des Bundes zu seinen Ver-
fügungen und Malsregeln steht den Kantonen hiergegen der Rechtsweg
vor dem Bundesgericht offen, so jedoch, dals für dieses die von der
Bundesversammlung erlassenen Gesetze und allgemein verbindlichen
Beschlüsse, einschlielslich genehmigter Staatsverträge, mafsgebend
sind ?.
Im Gegensatze hierzu geben die beiden deutschen Reichsver-
ı Vgl. a. 27 al. 4: „Gegen Kantone, welche diesen Verpflichtungen (das
Schulwesen betreffend) nicht nachkommen, wird der Bund die nötigen Ver-
fügungen treffen.“
? Schweizer Bundesverf. a. 118 No. 1 und al. 3.