Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 74. Die Reichsexekution. 447 
scheidungen des Reiches, um Durchführung der Verfassung und Gesetze 
des Reiches durch die Mitwirkungsrechte der Einzelstaaten, insbesondere 
auch bei der Konstituierung der Reichsorgane, vor allem des Bundes- 
rates, oder um Erfüllung solcher Verpflichtungen, welche den Einzel- 
staaten im Verhältnis zu den anderen Bundesgliedern oder zu den 
Staaten der Völkergemeinschaft von Reichs wegen obliegen. Es kann 
insbesondere auch die Verletzung der Bundespflicht in der verweigerten 
Anerkennung solcher Rechte liegen, welche die Reichsgesetzgebung den 
Staatsbürgern zuschreibt. 
2. Auch durch die Art und Weise der Verletzung der Bundes- 
pflichten ist das Exekutionsrecht des Reiches nicht bedingt. Sie kann 
bestehen in einer Handlung oder Unterlassung der vollziehenden Ge- 
walt. Sie kann erfolgen durch die Unterlassung oder Vornahme eines 
gesetzgeberischen Aktes; durch die Unterlassung, wenn die Durch- 
führung eines Gesetzes oder einer Anordnung des Reiches nach Lage 
des Falles von einem Landesgesetze, z. B. von einem Finanz- oder 
Etatzesetze, abhängig ist; durch die Vornahme; wenn die rechtliche 
Nichtigkeit eines dem Reichsrechte widersprechenden Partikulargesetzes 
die thatsächliche Wirksamkeit desselben gegenüber Behörden und 
Unterthanen nicht hindert. Ja selbst Rechtssprüche der zuständigen 
Partikularbehörden können die Pflichtverletzung und die Exekution 
begründen. Allerdings ist dies ausgeschlossen, soweit die reichsgesetz- 
lich anerkannte Unabhängigkeit der Gerichte in Frage steht oder so- 
weit die Reichsgesetzgebung selbst verwaltungsrechtliche Entscheidungen 
an bestimmte Instanzen in einem bestimmten Verfahren gebunden hat. 
Hier können behauptete Mängel nur im Wege der Reichsgesetzgebung 
beseitigt werden. Aber, soweit diese Voraussetzungen nicht zutreffen, 
ist das Reich berechtigt zu verlangen, dafs partikulare Rechtsentschei- 
dungen die Gesetze, Verordnungen oder Anordnungen des Reiches 
nicht aufheben, verkehren oder hemmen und dals die Einzelstaaten 
die geforderte Übereinstimmung herstellen, sei es durch landesrecht- 
lich gestattete Anweisungen im Verwaltungswege, sei es durch gesetz- 
geberische Malsnahmen?. 
3. Gleichgültig für das Recht des Reiches auf Exekution ist es 
endlich, welche Organe des Einzelstaates die Verantwortlichkeit für 
die Verletzung der Bundespflichten trifft. Es kann dies eine legis- 
lative Körperschaft sein, welche eine Zustimmung oder Bewilligung 
® Das war auch in der Schweiz vor der Ausdehnung der Kompetenz 
des Bundesgerichtes durch die Verfassungsrevision von 1874 anerkanntes 
Recht. Blumer, Handb. des schweiz. Bundesrechtes, 1: Aufl., I 203.
	        
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