448 IL. Buch. Die Reichsgewalt.
verweigert, die nach Malsgabe der Landesverfassung zur Erfüllung
einer Bundespflicht erforderlich ist. Die Verantwortlichkeit kann aber
auch den Landesherrn selbst treffen, wenn er seinerseits die zur Er-
füllung der Bundespflicht erforderliche Zustimmung oder Anordnung
unterläfst, wenn er unter Mifsbrauch seiner Regierungsgewalt die kom-
petenzmälsige Wirksamkeit des Reiches hemmt oder sich in Unter-
nehmungen einlälst, welche einen Angriff auf den Bestand oder die
Verfassung des Reiches selbst oder seiner Mitglieder darstellen.
II. Mit dem behaupteten Eintritt der verfassungsmälsigen Voraus-
setzungen der Exekution konstituiert sich ein Rechtsstreit zwischen
dem Reiche und dem Einzelstaate, dessen Schlichtung der Exekutions-
vollstreckung vorauszugehen hat.
Die Betreibung desselben liest an erster Stelle dem Kaiser ob,
welchem durch R.V. a. 17 die Überwachung der Ausführung der
Reichsgesetze übertragen ist. Sie kann aber auch unmittelbar im
Bundesrate erfolgen, wenn derselbe durch den Antrag eines seiner
Mitglieder oder durch einen Beschlufs des Reichstages oder durch die
Beschwerde eines verletzten Untertbanen damit befafst wird — eine
Beschwerde, die allerdings Parteirechte irgend welcher Art nicht be-
eründet.
Die Schlichtung des Rechtsstreites selbst erfordert eine doppelte
Entscheidung: den Rechtsspruch, der in der Sache die verfassungs-
mälsige Verpflichtung des Einzelstaates rechtskräftig feststellt, und
sodann für den Fall seiner Verurteilung das Vollstreckungsurteil, wel-
ches den weiteren Thatbestand voraussetzt, dafs der Einzelstaat dem
Rechtsspruche nicht volles Genüge leistet.
Die Reichsverfassung hat sich damit begnügt, als das für die Ent-
scheidung kompetente Organ den Bundesrat zu bezeichnen. Selbst-
verständlich ist damit zugleich die Regelung des gesamten Verfahrens
dem Reiche anheimgestellt.e. Dieselbe erfolgt, insoweit sie sich im
Rahmen einer Vorbereitung der Bundesratsbeschlüsse hält und die
verfassungsmäfsige Beschlulsweise des Bundesrates, einschliefslich des
Stimmrechtes des beteiligten Einzelstaates, nicht ändert, im Wege der
Geschäftsordnung des Bundesrates. Nur wenn die Begründung eines
besonderen Rechtsverfahrens, insbesondere die Konstituierung von
prozessualischen Rechten und Pflichten mit etwaigen rechtsverwirkenden
Folgen für die Einzelstaaten erfolgen soll, ist der Weg der Gesetz-
gebung erforderlich‘. Und hierbei ist es nicht ausgeschlossen, die
* Seydel — Kommentar S. 137 und v. Holtzendorff, Jahrbuch für
Gesetzgebung u. s. w. 1879 S. 287. 288 — folgert aus dem Satze: „Es geht