$ 75. Reichsverfassung Art. 4 No. 13. 453
III. Die gemeinsame Gesetzgebung über das Strafrecht.
8 75.
Reichsverfassung Art. 4 No. 13.
Die Reichsverfassung bezeichnet unter 13 des Artikel 4 als An-
gelegenheit, welche der Beaufsichtigung seitens des Reiches und der
Gesetzgebung desselben unterliegt:
„die gemeinsame Gesetzgebung über das gesamte
bürgerliche Recht, das Strafrecht und das gericht-
liche Verfahren‘.
Hiermit werden diejenigen Gegenstände zusammengefalst, welche
im herkömmlichen Sinne die „Rechtsgesetzgebung“ ausmachen,
und es wird der Beruf des Reiches für den vollen Bereich derselben
begründet. Für das „Strafrecht“ hat das eine doppelte Be-
deutung.
Wenn die Grundstellung aller Straf- und Zwangsgewalt zu den
von ihr zu schützenden, primären Rechtsordnungen dem Reiche das
Strafrecht im ganzen Umfange seiner Kompetenz verleiht, ohne dals
hierfür eine ausdrückliche und besondere Ermächtigung erforderlich
ist, so wird dieser Teil desselben durch die besondere Verfassungs-
klausel nicht erst begründet, sondern nur unter einen andern Gesichts-
punkt gestellt und in einen grölseren Zusammenhang gerückt, näm-
lich den der Einheit des deutschen Rechtslebens.
Zum andern Teile dagegen findet eine wahre Ergänzung der
Kompetenz des Reiches dadurch statt, dals die Strafgewalt des-
selben auch auf das selbständige Gebiet der Einzel-
staaten erstreckt wird.
. Allerdings das „Strafrecht“ der R.V. a. 4,ıa umfalst nicht die
gesamte Strafgewalt im deutschen Staatswesen. In der Gegen-
überstellung zum „gerichtlichen Verfahren“ wird das Wort auf
die Bedeutung des „materiellen“ Strafrechtes beschränkt. Da
jedoch auch das erste und damit auch das „formelle“ Straf-
recht in den Wirkungskreis des Reiches einbezogen wird, so bewirkt
diese Beschränkung keinerlei Begrenzung der Kompetenz.
Wohl aber erfolgt eine solche und zwar in dreifacher Richtung teils
durch den Gegensatz des allgemeinen Strafrechtes zu dem Ord-
nungsstrafrecht, teils durch die ausdrückliche Beschränkung auf
die „gemeinsame“ Gesetzgebung, teils durch die Verteilung der
Regierungsrechte in ihrer Anwendung auf die Strafgewalt.
- Allein trotz dieser Begrenzung und innerhalb derselben ist die