Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

454 U. Buch. Die Reichsgewalt. 
Ausdehnung der Strafgewalt des Reiches auch auf diejenigen Rechts- 
ordnungen, die ihrem Gegenstande nach an sich die verfassungsmälsig 
selbständige Rechtssphäre der Einzelstaaten ausmachen, eine aulfser- 
ordentliche Erscheinung im System der Kompetenzverteilung. Sie be- 
wirkt eine bedeutungsvolle Verschiebung derselben im Sinne der Ver- 
stärkung der Reichsgewalt, der gesteigerten Abhängigkeit der Einzel- 
staaten. 
A. Begrenzung. 
S 76. 
Allgemeines Strafrecht und Ordnungsstrafrecht. 
I. In der doppelten Entfaltungsweise des Rechtes, als objektiven 
und subjektiven Rechtes, und dementsprechend in der doppelten Be- 
thätigung des Unrechtes, als Bruches des objektiven und subjektiven 
Rechtes, reflektiert die Zwangsgewalt des Staates auf die letztere 
Seite. Ihr Ziel und ihre Mittel gehen dem Unrechte gegenüber auf 
Genugthuung für das subjektive Recht durch Erfüllung oder Sicher- 
stellung und — bei deren Unmöglichkeit — durch Ersatz oder Aus- 
gleich. Die allgemeine Strafgewalt des Staates zu ihrem 
andern Teile reflektiert auf die erste Seite, auf das objektive Recht. 
Nur dafs dieses, hier wie überall, nicht ein abstrakter Begriff ist, 
sondern die Summe der zu einem Ganzen gegliederten Rechtssätze, 
durch welche diejenigen gesellschaftlichen „Güter“ oder „Interessen“ 
bestimmt und in ihrem socialen Werte geschätzt werden, deren Ord- 
nung, Sicherung und Förderung den Staatszweck bildet. 
Allerdings stiftet auch das allgemeine Strafrecht ein subjektives 
Rechtsverhältnis. Aber dasselbe gewinnt seinen charakteristischen In- 
halt durch die allgemeine Berechtigung des Staates, die Autorität der 
objektiven Rechtsordnung im Sinne gerechter Vergeltung zu bewähren, 
und durch die allgemeine Verpflichtung der Unterthanen, das objektive 
Recht zur Richtschnur ihres gesamten gesellschaftlichen Verhaltens zu 
machen. Die allgemeine, die „echte“ Strafe ist daher die Gegen- 
wirkung, welche das Recht und in seinem Dienste der Staat dem 
Bruche des objektiven Rechtes entgegensetzt. Sie ist der Natur des 
Rechtes entsprechend das notwendige Komplement zu den Zwangs- 
mitteln, welche die Gegenwirkung gegen die Nichtachtung des sub- 
jektiven Rechtes darstellen. Denn die objektive Rechtsordnung, 
der Gemeinwille, der das Recht will, das „Gesetz“ erschöpfen 
ihre gesellschaftliche Bedeutung schlechterdings nicht in der Be- 
deutung der einzelnen subjektiven Rechte und Pflichten, die sich in
	        
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