Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

460 II. Buch. Die Reichsgewalt. 
Und so darf das Ergebnis, dem auch der Gang der Reichsgesetz- 
gebung entspricht, als gesichert gelten: Die Kompetenz des Reiches 
aus R.V. a. 4,ı3 wird beschränkt durch und auf den Beeriff des 
allgemeinen Strafrechtes. 
. 2. Nur allerdings — das Ordnungsstrafrecht ist und bleibt eine 
Anwendung der Strafgewalt überhaupt, eine besondere Gestaltung des 
Strafrechtes schlechthin. Darum kann aber auch das eine mit dem 
anderen in unhaltbaren Widerspruch treten, wenn sie in der Hand 
verschiedener Gesetzgeber liegen. Alsdann besteht die Möglichkeit, 
dafs das Ordnungsstrafrecht Thatbestände für strafbar erklärt, deren 
Strafwürdigkeit das allgemeine Strafrecht schlechthin verwirft, oder 
dals dasselbe nach Absicht und Erfolg Zusatzstrafen schafft, die die 
Strafbarkeitswürdigungen des letzteren korrigieren, oder dals es Straf- 
mittel nach Art und Höhe verwendet, die Grundsätze verletzen, welche 
das allgemeine Strafgesetz für das Strafensystem und für die Straf- 
zumessung zur Gemeingültigkeit erheben will. Hier liegen überall 
Grenzüberschreitungen vor. Ihrem Zutreffen wie schon ihrer Möglich- 
keit gegenüber ist es aber zweifellos in der Kompetenz des Reiches 
gelegen, zwar nicht das Ordnungsstrafrecht selbst, wohl aber die Mals- 
gaben und die Grenzen für dasselbe festzustellen, welche den Wider- 
spruch mit dem allgemeinen Strafrecht beseitigen oder verhüten?. 
8 77. 
Gemeinsames und partikulares Recht. 
Auch rücksichtlich des allgemeinen Strafrechtes in seiner Ab- 
grenzung vom Ordnungsstrafrecht ist das Reich nach R.V. a. 4, ıs 
beschränkt auf die „gemeinsame“ Gesetzgebung. 
I. Die „gemeinsame Gesetzgebung“ kann nicht von der Form 
der Reichsgesetzgebung als der Funktion der allen Einzelstaaten ge- 
meinsamen Reichsgewalt verstanden werden. In diesem Sinne ist aus- 
nahmslos jedes Reichsgesetz ein gemeinsames, im Gegensatz zum 
Gesetz des Einzelstaates. 
9° Die Frage der Reichskompetenz über das Ordnungsstrafrecht ist 
wesentlich erörtert worden für das Disciplinarstrafrecht und im Anschlufs an 
die Auslegung des $ 5 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch. Für 
die Ausdehnung ist insbesondere Heinze, Erörterungen $8. Tl, Verhältnis 
S. 100 £., Rubo, Kommentar über das Strafgesetzbuch S. 149. 214 ff. 227. 
Hälschner, Gem. d. Strafrecht I 111. Dagegen: Rüdorff, Strafgesetz- 
buch 2. Aufl. S. 85. 86; von Bar, Kritische Vierteljahrsschrift 1872 S. 433 ff.; 
Binding, Handbuch d. Strafrechts I 274 und die in Note 5 daselbst An- 
geführten.
	        
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