464 II. Buch. Die Reichsgewalt.
Gegenstande seiner Bestimmungen gemacht hat, soweit tritt nach dem
Grundsatze des Vorgehens der Reichsgesetze nicht nur das dadurch
betroffene Partikularrecht, sondern jedes Recht der Einzelstaaten oder
der ihr eingeordneten Organe zur Strafgesetzgebung aulser Kraft. Die
Feststellung, ob und wieweit dies geschehen sei, kann eine Schwierig-
keit der Auslegung, niemals aber eine Frage der Kompetenz bilden.
b. Das Reich ist aber auch befugt, die Grenzen, innerhalb deren,
und die Bedingungen festzustellen, unter denen es neben und aulser-
halb des gemeinsamen Rechtes eine partikulare Rechtsbildung ohne
Beeinträchtigung der Rechtseinheit für möglich und darum für statt-
haft anerkennt.
Das deutsche Strafgesetzbuch hat dies gethan durch eine doppelte
Reihe von Bestimmungen seines Einführungsgesetzes.
Es bezeichnet einzelne besondere Materien, für welche die Par-
tikulargesetzgebung Geltung behalten soll, selbstverständlich solange
die Reichsgesetzgebung sich nicht auch ihrer bemächtigt — $ 2 —
Es schreibt sowohl für diese. besonderen Materien als im all-
gemeinen die Strafarten und das Strafmals vor, auf deren Anwendung
die Partikulargesetzgebung fernerhin beschränkt bleiben soll —
885.6 —. Es hat damit alle schweren Verbrechen als Thatbestände
erklärt, für welche der Unterschied partikularer Besonderheiten aufser
Betracht steht und deren Bestrafung darum nur auf Grund gemein-
samen Rechtes zulässig ist.
$ 78.
Die formellen Befugnisse und das Geltungsgebiet der Begrenzung.
I. Für das so bestimmte gemeinsame, allgemeine Straf-
recht findet die grundsätzliche Gestaltung der formellen Kom-
petenzen des Reiches Anwendung. Dasselbe ist beschränkt auf Beauf-
sichtigung! und Gesetzgebung, vorbehaltlich selbstverständlich seines
Verordnungsrechtes, soweit ein solches auch hier Platz greifen kann,
und vorbehaltlich der besonderen Erweiterungen seiner Kompetenz,
die auf dem Gebiete des Strafprozesses, insbesondere durch die Er-
richtung des Reichsgerichtes, herbeigeführt worden sind.
! Die Behauptung Heinzes, Erörterungen S. 1 und Gerichtssaal 1878
S. 50, dafs die Beaufsichtigung sich nicht auf No. 13 der R.V. a. 4 beziehe,
ist gegenüber dem alle Nummern beherrschenden Eingang des Artikels un-
erfindlich, dann um so mehr, wenn aus R.V. a. 17 die Anwendbarkeit der
Überwachung zugegeben wird.