Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 79. Umfang und Bedeutung. 471 
hierzu ohne jede Rücksicht auf seine primären Kompetenzen insofern 
und insoweit kompetent, als es damit zugleich die strafgesetzliche 
Sanktion verbindet. 
I. Mit dem allen gewinnt denn aber die Strafgewalt des Reiches 
ihre aufserordentliche Tragweite. 
Man hat gesagt, die Übertragung der „gemeinsamen Gesetzgebung 
über das Strafrecht“ auf den Bund auch zum Schutze der rechtlichen 
Ordnungen, die ihrem Gegenstande nach verfassungsmälsig der Kompe- 
tenz der Einzelstaaten anheimfallen, widerspricht der Natur des Bundes- 
staates. Den Einzelstaaten gebühre die Strafgewalt zu selbständigem und 
eigenem Rechte, soweit ihr eigener und selbständiger Wirkungskreis 
sich erstrecke. Denn dieselbe sei die ultima ratio für das innere 
Rechtsleben des Staates, wie der Krieg für seine äulsere Thätigkeit. 
Werde dies nicht anerkannt, alsdann seien die Einzelstaaten in ihrem 
innersten Eigenleben getroffen und mit allem, was sie sind und haben, 
unter die Vormundschaft des Bundes gestellt, alsdann sei der Einzel- 
staat in seinem individuellen Wirkungskreis ein niedreres staatliches 
Wesen als der Bund in dem seinigen®. 
Diese Folgerung ist unweigerlich richtig. Aber sie ist mit allen 
den Voraussetzungen, aus denen sie abgeleitet ist, positiven Rechtens 
in Deutschland. Sie beseitist zu ihrem Teile die Auffassung des 
Bundesstaates als die unverbundene, zu einem Gesamtherrschaftsver- 
hältnis nicht organisierte Gegenüberstellung zweier selbständiger staat- 
licher Wirkungskreise. In Deutschland empfängt die gesamte primäre 
Rechtsordnung, empfangen insbesondere die Existenz, die Funktionen 
und Aufgaben der Einzelstaaten ihre gemeinsame strafrechtliche Schutz- 
ordnung aus der Hand des Reiches. 
Und diese Einordnung und Unterordnung auch des selbständigen 
Wirkungskreises der Einzelstaaten in und unter den (Gesamtstaat 
empfängt ihren letzten Abschlufs durch die Unterscheidungslosigkeit 
der Gebots- und Verbotsgewalt von der Strafgewal. Dem Reiche 
steht die verfassungsmälsige Macht zu, um der Strafwürdiekeit des 
Unrechtes willen Recht zu setzen in einem Umfange,. welcher, ge- 
messen an der grundsätzlichen Kompetenzverteilung zwischen ihm und 
den Einzelstaaten nach „Angelegenheiten“, ein grenzenloser ist. 
® Heinze, Erörterungen, insbesondere 8. 89 ff.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.