Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

474 II. Buch. Die Reichsgewalt. 
mäfsig weist es eine kollegialische Willensbildung zurück und für seine 
Rechtsverbindlichkeit gegenüber den Untergebenen genügt jede er- 
kennbare Willensäufserung. Allein trotzdem soll und darf auch der 
militärische Befehlshaber da, wo er nicht blofs ihm selbst Befohlenes 
befiehlt, nach Inhalt, Umfang und Form nichts anderes befehlen, als 
wozu ihn Verfassung und Gesetz und die in Gemälsheit derselben er- 
gehenden Anordnungen ermächtigen. Wenn nicht die Unverantwort- 
lichkeit des Monarchen — die aber kein besonderes Kennzeichen der 
Militärgewalt ist — ihre Gegenwirkung äulsert, ist jeder militärische 
Befehlshaber für die Rechtmäfsigkeit seines eigenen Befehls verant- 
wortlich, ja er ist es in verstärktem Malse!, 
Die Verschärfung der Unterwerfung liest auf der Seite der Ge- 
horsamspflicht. Das, was das Specifische des militärischen Be- 
fehles ausmacht, ist der unbedingte Gehorsam gegen denselben. 
Unbedingt ist der Gehorsam, weil er das Recht, zugleich aber 
auch — und zwar in voller rechtlicher Tragweite auch dieses Um- 
standes — die Pflicht des Untergebenen zur Prüfung der Recht- 
mäfsiekeit des Befehles des Vorgesetzten aufhebt. Die Thatsache, dafs 
der Befehl von einem Vorgesetzten in erkennbarer Weise erteilt ist, 
ist ausreichend, um den Untergebenen ohne Rücksicht auf den Inhalt 
und die Form des DBefehles, ohne Rücksieht auf die Kompetenz des 
Befehlenden und des Befehligten zum Gehorsam zu verpflichten, aber 
ihn auch seiner Verantwortlichkeit zu entledigen. Eine Grenze findet 
diese unbedingte Gehorsamspflicht erst an dem Punkte, dals der 
Untergebene weder berechtigt noch verpflichtet ist, einem Befehle zu 
gehorchen, „der eine Handlung betrifft, die ein bürgerliches oder mili- 
tärısches Verbrechen oder Vergehen bezweckt“ ?. 
2. Die auf Grund und innerhalb des militärischen Gewaltver- 
hältnisses zu bewirkenden Leistungen haben die Organisation und 
Thätigekeit der Kriegsmacht zu ihrem besonderen Zwecke. 
Hierdurch bestimmt sich ihre äufsere Beschaffenheit. Sie 
sind entweder Waffendienste oder solche Hülfsdienste, welche die per- 
sönlichen, wirtschaftlichen oder technischen Bedingungen für die Aus- 
übung des Waffendienstes beschaffen. 
Vor allen Dingen bestimmt sich hierdurch ihr innerer recht- 
licher Gehalt. 
Die Natur der Kriegsmacht besteht nicht in ihrer Bestimmung, 
die „Bildungsschule der ganzen Nation für den Krieg zu sein“. Das 
ı Militärstrafgesetzbuch vom 10. Juni 1874 88 114 ff. 
2 Militärstrafgesetzbuch $ 47.
	        
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