Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 82. Das Heer im Staatenbunde und Bundesstaate. 483 
I. Nur der Staatenbund entwickelt aus seiner Natur heraus 
einen sicheren Grundsatz: die Kontingentsverfassung im strengen 
Wort- und Rechtssinn. Der deutsche Bund hat dafür in dem 
„organischen Bundesgesetz“ vom 9. April 1821 — den 24 Artikeln 
der Kriegsverfassung — und in den zu seiner Ausführung beschlossenen 
„näheren Bestimmungen der Kriegsverfassung“ ! das Paradigma ge- 
liefert. 
Nach ihnen bildete das „Kontingent“ jedes Staates eine geschlossene 
Einheit, welche ausschliefsliich der Militärgewalt des Landesherrn 
unterlag. Ein Kriegswesen des Bundes, ein Bundesheer konnte darum 
nur in dem Sinne entstehen und bestehen, dafs die Bundesverfassung 
und die kompetenzmälsigen Bundesbeschlüsse den Landesherren im 
Interesse der Verteidigung des Bundes bestimmte Verpflichtungen auf- 
erlegten. 
Diese Verpflichtungen bestanden im Frieden ausschliefslich in 
einer solchen bundesbeschlulsmälsigen Stärke und Formierung, Aus- 
rüstung und Ausbildung des Kontingentes, dafs dasselbe dadurch be- 
fähigt wurde, bei der Mobilmachung in die im voraus bestimmten 
höheren militärischen Verbände kriegsbereit einzurücken. Von der 
Erfüllung der Bundespflichten mochte sich der Bund durch die ein- 
zureichenden jährlichen „Standesübersichten“ und alle fünf Jahre durch 
Musterungen überzeugen. Aber ein Bundesheer im Frieden bestand 
in keinem Sinne, sondern lediglich das Kontingent und der durch die 
Bundesbeschlüsse festgestellte Plan eines Bundesheeres. 
Erst mit der vom Bunde beschlossenen Mobilmachung erwuchs 
dem Landesherrn die weitere Verpflichtung, dem Bunde sein Kon- 
tingent zur Verfügung zu stellen und dasselbe dem Oberbefehl des 
„Oberfeldherrn“ — bei teilweiser Mobilmachung des „Oberbefehls- 
habers“ — unterzuordnen, welcher das einzige, von der Bundesver- 
sammlung ernannte und ihr, wie einem Suverän, unmittelbar verant- 
wortliche Organ des Bundes bildete. Aber es war dies ein Ober- 
befehl im strengen rechtlichen Sinne. Denn die Regelung und Be- 
stellung der Kommandos aller Heeresabteilungen verblieb, wenn auch 
unter Beobachtung der organisatorischen Bestimmungen der Bundes- 
beschlüsse, den Landesherren, und zwar nicht nur für die ungemischten 
Armeecorps und Divisionen, sondern auch für die aus mehreren Kon- 
tingenten kombinierten Truppenkörper, für welche die Regelung der 
Kommandoverhältnisse durch Vertrag der beteilisten Einzelstaaten, 
1 Abschnitt I bis V vom 12. April 1821, revidiert durch die Beschlüsse 
vom 4. Januar 1855 und 27. April 1861; Abschnitt VI—X vom 11. Juni 1822. 
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