8 83. Das bayerische Sonderrecht u. d. gemeingültige Verfassungsrecht. 487
weitgehende Rechnung getragen. Allein die Ereignisse zerstörten die
Voraussetzung, von der dieselben ausgegangen waren: den das ganze
aulserösterreichische Deutschland befassenden Bundesstaat und das
geplante Kompromils, das die Landmacht in zwei „Bundesheere“ zer-
legte, die Nordarmee und die Südarmee.
So mulste sich die norddeutsche Verfassung auf eine vollkommen
andere Grundlage stellen. Und zwar hat dieselbe auch für die
innere Gestaltung der norddeutschen Armee eine grundsätzlich
andere Fassung gewonnen als die der „Grundzüge“®. Denn während
diese die Rechte des Bundes nur auf die „Kontingente“ bezogen,
welche die Einzelstaaten unter den Bundesbeschlüssen und nach dem
Bundes-Militärbudget selbständig, insbesondere auch in Rücksicht auf
die Finanzierung zu verwalten hatten, während sie dem „Oberfeld-
herrn“ nur einen „Ober befehl“ zuschrieben, formuliert die norddeutsche
Verfassung ohne jeden Vorgang irgend einer anderen Bundesverfassung
oder irgend eines bisherigen Entwurfes den folgenreichen Satz:
„Die gesamte Landmacht des Bundes wird ein einheitliches
Heer bilden, welches im Krieg und Frieden unter dem »Befehl«
des Königs von Preulsen als »Bundesfeldherrn« steht.“
Jedoch die eben gewonnene Grundlage ist in einem gewissen
Umfange wiederum verlassen worden. Sie hat in der Entwickelung
des norddeutschen Bundes zum deutschen Reiche eine Rückbildung
erfahren, die sie an einem wesentlichen Punkte auf den ersten Aus-
sangspunkt, auf die „Grundzüge“ vom 14. Juni 1866 zurückführte.
Die deutsche Reichsverfassung hat die Zweiteilung des deutschen
Heeres bewirkt und däs verfassungsmäfsige Recht desselben in seiner
wesentlichen Grundauffassung zu einem zwiespältigen gemacht.
8 88.
Das bayerische Sonderrecht und das gemeingültige Verfassungsrecht.
I. Gegenüber dem einen Staate Bayern giebt es ein gemein-
gültiges Recht für das Militärwesen des Reiches nicht. An die Stelle
der entscheidenden Artikel 61 bis 68 der R.V. sind die Bestimmungen
unter II 88 5. 6 des bayerischen Bündnisvertrages vom 23. No-
6 Laband, Staatsrecht d. d. R. II 500 ff. übersieht die grundsätzlichen
und wesentlichen Abweichungen der Grundzüge von der norddeutschen Ver-
fassung und ist dadurch verleitet worden, aus den ersteren unrichtige Schlüsse
für die rechtliche Natur des Heeres nach der zweiten zu ziehen.