488 II. Buch. Die Reichsgewalt.
vember 1870 getreten, welche, als Bestandteile der Verfassung!, ein
Sonderrecht Bayerns begründen.
Hiernach ist das bayerische Heer unter der Militärhoheitdes
Königs von Bayern in Rücksicht sowohl auf den militärischen
Befehl als auf die gesamte Verwaltung verblieben. Allerdings ist
Bayern verfassungsmälsig verpflichtet, für sein Heer „volle Überein-
stimmung in Bezug auf Organisation, Formation, Ausbildung und Ge-
bühren, dann hinsichtlich der Mobilmachung“* herbeizuführen, aber es
geschieht dies durch den König. Allerdings gilt der gemeingültige
Verfassungsgrundsatz der Gleichmälsiekeit der Kosten und Lasten des
gesamten Kriegswesens auch für Bayern, aber seine Geltung wird
lediglich dadurch bewirkt, dafs eine entsprechende Pauschsumme inı
Reichsmilitäretat für das bayerische Heer ausgeworfen wird, deren
Verwendung durch das bayerische Budget, im allgemeinen nach der
Richtschnur der deutschen Etatstitel bestimmt wird und aufserhalb
der Rechnungskontrolle des Reiches steht. Allerdings ist Bayern ver-
pflichtet, die Anlage neuer Befestigungen im Interesse der gesamt-
deutschen Verteidigung auf seinem Gebiet zuzugestehen, aber nur im
Wege jeweiliger Vereinbarung. Allerdings ist der Kaiser be-
rechtigt und verpflichtet, sich von der verfassungsmälsig geforderten
Übereinstimmung der bayerischen Heereseirrichtungen mit den deut-
schen, von der Vollzähliekeit und Kriegstüchtigkeit der bayerischen
Truppen durch Inspektionen zu überzeugen, aber nur um sich, wie
über die Modalitäten ihrer Vornahme, so über deren Ergebnis mit
dem König von Bayern ins Einvernehmen zu setzen.
Hier überall ist lediglich von einer bestimmten Handhabung der
bayerischen Militärhoheit die Rede, zu welcher ihr Inhaber, der König,
nach Malsgabe aber auch nur im Umfang ausdrücklicher? Ver-
fassungsbestimmungen verpflichtet ist. Nur an zwei Punkten wird
diese Linie überschritten; sie allein lassen das bayerische Heer in
eine unmittelbare Beziehung zu Kaiser und Reich treten.
Zunächst ist das bayerische Militärwesen der Gesetzgebung
des Reiches mit ihrer regelmäfsigen unmittelbaren Wirksamkeit
unterworfen und zwar in dem Umfange, in welchem die Gesetzgebung
nach Reichsrecht Platz greift. Nur geschieht dies in der scharfen be-
grifflichen Begrenzung, dafs alle Verordnungsrechte auf dem
Gebiete des Militärwesens ausschliefslich dem König von Bayern
ı Dazu die authentische Erläuterung im bayerischen Schlufsprotokoll
XIV 8.4.
2 Bayerisches Schlufsprotokoll $ 4 der No. XIV.