494 II. Buch. Die Reichsgewalt.
Die andere Auffassung findet in diesen Sätzen nur die Charakte-
ristik des Sonderrechtes Bayerns, nicht aber des gemeingültigen
Rechtes der Verfassung. Sie leugnet insbesondere, dals der Begriff
der Selbstverwaltung ohne Verflüchtigung und Verfälschung seines Wesens
auf das Verhältnis des Reiches zu den Einzelstaaten in dem Gebiete
der Militärverwaltung angewandt werden kann. Sie behauptet, dafs der
Ausspruch der Reichsverfassung, das deutsche Heer ist ein einheitliches,
nicht nur den technischen Erfolg einzelner Einrichtungen bedeutet, son-
dern vielmehr der vollkommen zutreffende Ausdruck für die recht-
liche Gestaltung des deutschen Militärwesens ist. Sie hat nach und
neben Zorn®, G. Meyer’, H. Schulze!®, v. Kirchenheim!!,
Bornhak!? ihren Hauptvertreter in Brockhaus!? gefunden mit
dem Schlusse: „Es giebt nur ein ungeteiltes deutsches
Heer und dieses ist ein Reichsinstitut“.
Die Entscheidungen zwischen beiden Auffassungen hat die Unter-
suchung über das militärische Gesetzgebungs- und Verord-
nungsrecht und über die vollziehende Verwaltung in ihrer Unter-
scheidung nach militärischem Befehl und militärischer Ver-
waltung herbeizuführen.
II. Das gemeingültige Verfassungsrecht.
1. Militärische Gesetzgebung und Verordnung.
S 84.
Die rechtliche Normierung des Heerwesens steht dem
Reiche im umfassendsten Sinne zu.
Sie begreift dem Umfange nach auf Grund der Verfassungs-
artikel 57, 59, 60 die Feststellung der militärischen Gesamtleistung
des Volkes und der Wehrpflicht der einzelnen Unterthanen, nach
R.V. a. 61 aber ganz allgemein die „gesamte Militärgesetzgebung“
im Sinne des preulsischen Rechtes. Sie hat damit zum weiteren
Gegenstande teils die inneren Verhältnisse des Heeres, d. h. die
Organisation und Funktion der Truppenkörper und der für ihre Zwecke
8 Staatsr. I 296.
9 Hirths Annalen 1880 S. 337 £f.; Lehrb. d. d. Verwaltungsrechtes II 37 ff.;
Lehrb. d. d. Staatsr. 88 196 ff.
10 Lehrb. d. d. Staatsrechtes II 253 ff.
11 Lehrb. d. d. Staatsrechtes $. 342 ff. 12 Preufs. Staatsr. III 29 ff.
13 „Das deutsche Heer und die Kontigente der Einzelstaaten“. 1888.
Dagegen Laband im Archiv f. ö. R. III 491 fi.