534 II. Buch. Die Reichsgewalt.
Demgemäls regelt das Reich die Legitimation seiner Organe zur
Vertragsschliefsung und die Voraussetzungen der inneren, staatsrecht-
lichen Geltung der abgeschlossenen Staatsverträge. Dies ist durch die
Verfassung selbst in a. 11 geschehen und zwar für die unter Beob-
achtung der vorgeschriebenen Formen abgeschlossenen Staatsverträge
mit der Wirkung, dafs dieselben die nämliche unmittelbare Rechts-
verbindlichkeit gegenüber den Einzelstaaten und Unterthanen empfangen,
wie die von Reichs wegen erlassenen Gesetze und Verordnungen.
Demgemäls steht endlich dem Reiche — abgesehen von den selb-
ständigen, in einem äulseren Hoheitsrechte nicht erschöpften Rechten
der Heeres- und Marineverwaltung — die innere Regelung der Kriegs-
führung zu. Die Verfassung selbst hat in a. 11 die Voraussetzungen
einer gültigen Kriegserklärung festgestellt. Sie hat dem Kaiser im
Falle des Krieges den ausschliefslichen Befehl über die Machtmittel
des Reiches, über Heer und Marine beigelegt. Und es hat nicht minder
in der unzweifelhaften und unbezweifelten Kompetenz des Reiches ge-
legen, jene gewaltige Regulierung der Kriegsschäden teils durch un-
mittelbare Verwaltungsakte, teils durch Vermittelung der Einzelstaaten
vorzunehmen, die sich an den französischen Krieg und die Milliarden-
zahlung Frankreichs anknüpfte°.
3. Auf beiden Gebieten, sowohl auf dem Gebiete der völker-
rechtlichen als der äufseren Hoheitsrechte, entfaltet das Reich seine
Wirksamkeit nicht nur durch unmittelbare rechtsverbindliche Anord-
nungen, durch „Beaufsichtigung und Gesetzgebung“, sondern durch
stimmungen der Konsularverträge, welche den Konsuln Befreiungen auch von
den Steuern der Einzelstaaten zusichern, z. B. die Konsularverträge mit
Costarica (1875) a. 27; Hawai (1879) a. 12; Rufsland (1875) a. 2; den Vereinigten
Staaten von Amerika (1872) a. 3; Griechenland (1881) a. 2; Brasilien (1882)
a. 3. — Anerkannt mufls werden, dafs die Fassung des a. 4 No. 7 und des
a. 56 zu der Annahme führen kann (v. Rönne, Deutsches Staatsrecht II ı
225 Note 1), dafs der Gesetzgebung und Aufsicht des Reiches das Konsulats-
wesen nur au[lserhalb des Bundesgebietes unterliege. Sachlich würde dies zu
der Unmöglichkeit führen, dafs das Reich Gegenseitigkeit für die Konsuln der
auswärtigen Staaten gewährte. Wie aber die Praxis dem Reiche unbedenklich
das Recht des Empfanges auswärtiger Konsuln und der Regelung ihrer Rechts-
stellung durch Verträge eingeräumt hat, so findet dies wenigstens einen An-
halt in a. 56, wenn man den Satz: „Das gesamte Konsulatswesen des deutschen
Reiches steht unter der Aufsicht des Kaisers“ als eine selbständige, das aktive
und passive Konsularrecht umfassende Klausel ansieht und die Inkongruenz
der Satzfügung: „welcher die Konsuln — anstellt“ zu den sonstigen Sprach-
widrigkeiten der Verfassungsurkunde rechnet. — Im allgemeinen s. Zorn,
Das deutsche Gesandtschafts-, Konsular- und Seerecht, in Hirths Annalen 1882
S. 81ff. u. 409 ff.
58. Ad. Wagner in v. Holtzendorffs Jahrbuch III 97 ff.