Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

536 II. Buch. Die Reichsgewalt. 
handelt, welche der bayerische Gesandte im Namen und im Auftrag 
und also als zeitweiliges Organ des Reiches auszuüben hat, wenn es 
sich im zweiten und dritten Falle nur um Formen handelt, in denen 
die besonderen Interessen der Einzelstaaten bei den Vertragsver- 
handlungen des Reiches ohne Begründung eines Zustimmungs- oder 
Einspruchsrechtes zum ausschliefslich durch das Reich selbst erfolgenden 
Vertragsabschlusse wahrgenommen werden’, wenn im letzten Falle 
den Einzelstaaten nur eine gewisse Benutzung der Organe des Reiches 
in ihrem Specialinteresse eingeräumt ist, so ist selbst in diesen Fällen 
der Grundsatz eigener und unmittelbarer Verwaltung des Reiches auf 
den Gebieten der völkerrechtlichen und äufseren Hoheitsrechte nicht 
durehbrochen. — — | 
Nach dem allen bewährt sich das Reich in der Ausübung der 
völkerrechtlichen und äulseren Hoheitsrechte als in politischer Einheit 
verbundene Gesamtniacht, welche als solche unabhängig und selbst- 
ständig auch im Verhältnis zu den Einzelstaaten besteht. Aber un- 
geachtet dieser rechtlichen Eigenschaft des Reiches kommt doch auch 
auf 'dem Gebiete der auswärtigen Angelegenheiten die verfassungs- 
mälsige Zwischenbildung der Einzelstaaten zur Geltung. Zwischen 
beiden bedarf es einer Auseinandersetzung. Dieselbe entwickelt sich 
an zwei Fragen: 
wieweit übt die Abgrenzung der inneren Kompetenzen zwischen 
dem Reiche und den Einzelstaaten eine rechtliche Rückwirkung auf 
die Kompetenz des Reiches in den auswärtigen Angelegenheiten aus?- 
wieweit ist den Einzelstaaten eine selbständige Stellung in der 
Völkerrechtsgemeinschaft geblieben und welche Rechtsverhältnisse 
entwickeln sich hieraus in den Beziehungen zwischen dem Reich 
und den Einzelstaaten’? 
Nur die Beantwortung beider Fragen bringt die Rechtsstellung 
des Reiches auf dem Gebiete der auswärtigen Angelegenheiten zu 
voller Darstellung. Sie ergiebt nicht nur die Schranken, sondern auch 
erst den vollen Umfang und den eigentümlichen Charakter dieser 
Reichskompetenz. 
% Das Schlufsprotokoll des Zollvereinsvertrages fügt ausdrücklich hinzu: 
„unbeschadet seiner (Preufsens) ausschliefslichen Berechtigung, im Namen 
des Vereins Handels- und Schiffahrtsverträge mit fremden Staaten einzu- 
gehen“ und „Im Falle eine Übereinstimmung nicht zu erzielen, wird es dessen- 
ungeachtet bei der Bestimmung des $ 6 sein Bewenden haben“, d. h. der Ab- 
schlufs erfolgt trotzdem.
	        
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