$ 91. Das Verhältnis der inneren zu den auswärtigen Kompetenzen etc. 537
II. Das Verhältnis der inneren zu den auswärtigen Kompetenzen
des Reiches.
8 91.
Die auswärtigen Angelegenheiten erschöpfen sich schlechterdings
nicht in den rein äulserlichen, ausschlieislich völkerrechtlichen Be-
ziehungen der Staaten untereinander, in den friedlichen und feind-
lichen Einwirkungen von Staatsgewalt zu Staatsgewalt und in einer
damit eng begrenzten Handhabung der äulseren Hoheitsrechte. Viel-
mehr erzeugen dieselben in umfassendster Weise Rückwirkungen
auf das innere Staatsleben. Die Wahrnehmung der Interessen
und Rechte des Staates in der Völkergemeinschaft, die Erfüllung der
ihm durch das Völkerrecht erwachsenden Verpflichtungen schreibt der
inneren Wirksamkeit der Staatsgewalt vielfach Richtung und Inhalt
vor. Es entwickeln sich hier nicht um des besondern (Gegenstandes
willen besondere Hoheitsrechte der Staatsgewalt, wie bei den äulseren
Hoheitsrechten, sondern die auswärtigen Beziehungen bilden nur das
politische oder rechtliche Motiv, um die besondere Gestaltung der
inneren Rechtsordnung und eine besondere Anwendung der inneren
Hoheitsrechte des Staates herbeizuführen. Gerade an diesem Punkte
setzt die Frage’ ein, welche Bedeutung die innere Kompetenzaberenzung
zwischen dem Reich und den Einzelstaaten für die Kompetenz des
Reiches auf dem Gebiete der auswärtigen Angelegenheiten besitzt.
I. Diese Frage wird zunächst gestellt in Bezug auf die völker-
rechtlichen Verträge.
1. Die wachsende Kulturgemeinschaft der Völker, der ununter-
brochene geistige und materielle Verkehr ihrer Angehörigen macht es
den Staaten mehr und mehr unmöglich, ihre Rechts- und Wohlfahrts-
aufgaben in einseitiger Isolierung und ohne Rücksicht auf die Völker-
gemeinschaft zu erfüllen. Die Staatsverträge gewinnen damit einen
erweiterten. Inhalt. Der Ausspruch v. Omptedas: Die Verträge der
Völker bestehen gewöhnlich in Friedensschlüssen und solehen Trak-
taten, welche sich auf Krieg und Frieden beziehen, ist länest über-
holt!. In weit überwiegendem Mafse ist es der Zweck der neueren
Staatsverträge, eine gesicherte Übereinstimmung der inneren Rechts-
ordnung und der vollziehenden Verwaltung auf den Gebieten herbei-
zuführen, auf denen die wechselseitigen Beziehungen der vertrag-
schliefsenden Staaten, insbesondere als Schutzmächte ihrer Unterthanen,
! E. Meier, Über den Abschlufs von Staatsverträgen $. 18 ff.