Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 91. Das Verhältnis der inneren zu den auswärtigen Kompetenzenetc. 541 
Inhaltes zuschreibt, nicht bedeutungslos. Während im Gebiete der 
inneren Konipetenzen das Reich nur soweit berechtigt ist, als die 
Verfassung ihm nachweisbar Befugnisse überträgt und über diesen 
Kreis hinaus das ausschliefsende Recht der Einzelstaaten Platz greift, 
so liegt kraft jener allgemeinen Fassung auf dem Gebiete des völker- 
rechtlichen Vertrages die Sache umgekehrt. Das Reich ist zu Staats- 
verträgen jedes Inhaltes und ohne Rücksicht auf das Zutreffen einer 
Specialklausel der Verfassung berechtigt und nur das entgegenstehende 
Recht der Einzelstaaten auf Wahrung ihrer inneren Kompetenzen setzt 
ihm Grenzen". 
I. Die Beziehungen, in welchen die Regelung und Verwaltung 
der auswärtigen Angelegenheiten zu den inneren Verhältnissen des 
Staates, insbesondere zu der inneren Abgrenzung der Kompetenzen 
zwischen dem Reich und den Einzelstaaten stehen, erschöpfen sich 
keineswegs in der Erscheinung der völkerrechtlichen Verträge. Viel- 
mehr sind es auch schlechthin einseitige Akte der Staats- 
gewalt, welche, indem sie eine bestimmte. Ordnung der inneren 
Verhältnisse bewirken, damit zugleich und ihrer Absicht nach eine 
bestimmte Gestaltung der auswärtigen Beziehungen herbeiführen, ins- 
besondere den aus der Völkerrechtsgemeinschaft entspringenden Pflichten 
genügen. 
Die verfassungsmäfsigen Kompetenzen geben dem Reiche auch 
hierfür den weitesten Spielraum. 
Die Kompetenzen über das gesamte bürgerliche Recht, das Straf- 
recht und das gerichtliche Verfahren, einschliefslich der Specialklauseln 
der R.V. a.4 Nr. 5. 6. 11. 12., machen es zum Recht und zur Pflicht 
des Reiches, die völkerrechtlichen Ansprüche fremder Staaten auf Ach- 
tung ihres ungestörten Daseins und ihrer Würde zu wahren®, die 
internationale Rechtspflege und Rechtshülfe, soweit sie auch aufserhalb 
der Verträge zu gewähren ist, zu ordnen’, aber auch das Beuterecht 
zu Lande und zu Wasser (Prisenordnung) zu regeln und die Einhal- 
tung der Neutralitätspflichten zu sichern !°. 
Aus den Kompetenzen über das Zoll- und Handelswesen, über 
die Herstellung von Land- und Wasserstralsen, über die Flöfserei, 
° Daher z. B. der Vertrag zwischen Deutschland und Griechenland über 
die Ausgrabungen bei Olympia vom 13./25. April 1874 (Reichsbudget für 1875 
zu Anlage III), welcher keiner Specialkompetenz des Reiches entspricht, aber 
die inneren Kompetenzen der Einzelstaaten nicht berührt. 
8 Vgl. Strafgesetzbuch aa. 102. 103. 103a. 104. 
° Vgl. Strafgesetzbuch aa. 4 ff. 146. Civpr.O. a. 660. 
10 Vgl. Strafgesetzbuch a. 127.
	        
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