$ 92. Die völkerrechtliche Stellung der Einzelstaaten. 547
2. Der Fall des Krieges modifiziert aber nicht allein das Vertrags-
recht des Reiches, er gewährt auch zur Herstellung der inneren
Bedingungen für die völkerrechtliche Aktion derKriegs-
führung aulserordentliche Ermächtigungen.
Das ist nach R.V. a. 68 das Recht des Kaisers auch für den Fall
eines Krieges einen jeden Teil des Bundesgebietes in den Kriegs-
zustand zu erklären, wenn nach seinem Ermessen die öffentliche
Sicherheit in demselben bedroht ist, sei es, dals der Feind einzelne
Gebietsteile bedroht oder schon besetzt hat, sei es, dals der Fall
eines Aufruhrs in Krieeszeiten eine dringende Gefahr schafft. Mit
der Bekanntmachung der Erklärung des Belagerungszustandes geht
die voliziehende Gewalt an die Militärbefehlshaber über, die dem
Kaiser unbedingt und ausschliefslich untergeordnet sind. Das heilst,
sämtliche Civilverwaltungs- und Gemeindebehörden treten, unangesehen
der landesherrlichen Rechte, in ein unmittelbares Verhältnis der
Unterordnung zu Kaiser und Reich, ein Verhältnis, welches für sich
allein alle regelmäfsigen Grenzen der verfassungsmälsigen Kompetenz
durchbricht *.
III. Die völkerrechtliche Stellung der Einzelstaaten.
S 92.
A. Den beiden aulserdeutschen Bundesverfassungen liegt der be-
herrschende Grundsatz zu Grunde, dafs die völkerrechtliche Vertretung
in Krieg und Frieden, im aktiven und passiven Gesandtschafts- und
Konsulatsrecht, in Verhandlungen und Verträgen dem Bunde in voller
Ausschliefslichkeit gegenüber dem Auslande zusteht. Sie sprechen den
Einzelstaaten mithin eine selbständige völkerrechtliche Persönlich-
keit ab.
Die Verfassung der amerikanischen Union erkennt den
Einzelstaaten nur ein Recht der Notwehr gegen das Ausland zu, wenn
eine Invasion thatsächlich stattfindet oder eine unmittelbare, keinen
Aufschub duldende Gefahr droht!. Die Schweizer Verfassung
Gesetzgebung des Reiches, so sind sie wie jeder andere Vertrag zu behandeln,
aber „als selbstverständlich braucht nicht erwähnt zu werden, dafs, wo der
Friedensvertrag Änderungen der Reichsverfassung zur Folge haben soll,
zum formellen Abschlufs wohl der Kaiser allein befugt ist; dafs aber zur
Wirksamwerdung des Vertrages innerhalb des Reiches ein Verfassungsände-
rungsgesetz nach a. 78 nötig ist“, S. 117. 118.
21 8.0.8 73.
! Unionsverfassung von Amerika a.Is.8 al. 1l,s.10 al.l1u.3. a.IIs.2.
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