$ 92. Die völkerrechtliche Stellung der Einzelstaaten. 553
wärtigen Angelegenheiten, welche den Einzelstaaten gezogen sind und
welche für das Reich ausschliefsliche Kompetenzen begründen.
Selbstverständlich ist es, dafs die Einzelstaaten von allen Ein-
wirkungen auf die Kriegsführung ausgeschlossen sind, insbesondere also
von allen Verträgen, welche die Kriegsführung begleiten — wie über
Waffenstillstände — oder welche die Kriegsführung im voraus regeln
— wie die Petersburger Deklaration über die Sprenggeschosse !! oder
die Genfer Konventionen — oder welche eine Verbindlichkeit zur
Kriegsführung in Aussicht nehmen — wie ÖOffensiv- und Defensiv-
allianzen.
Selbstverständlich auch, dals ein Einzelstaat nicht Nebenpartei in
einem auswärtigen Kriege sein kann und nicht durch einseitige Mals-
regeln einem auswärtigen Staate einen völkerrechtlich anerkannten
Rechtsgrund zum Kriege gewähren darf, sei es durch Zahlung von
Subsidien, Einräumung von Waffenplätzen, überhaupt durch Gewährung
einseitiger, die Neutralität verletzender Vorteile an eine kriegführende
Macht, sei es durch Intervention in die inneren oder auswärtigen
Händel eines fremden Staates.
Zu allen diesen völkerrechtlichen Verhandlungen und Malsregeln
ist das Reich ausschliefslich kompetent.
Vor allen Dingen aber bewirkt die Ausschliefslichkeit der Macht-
mittel in der Hand des Reiches, ‘dafs die Einzelstaaten verfassungs-
mälsig und völkerrechtlich - aufgehört haben das zu sein, was im
eminenten Sinne als Macht bezeichnet wird. Dies ist nur das Reich.
Die Stellung als Macht aber ist es, die die Voraussetzung bildet für
jene auswärtige Thätigkeit, die in steter Abwägung der gegenseitigen
Machtverhältnisse den Einfluls des Staates auf die Entwicklung der
Völkergemeinschaft in ihren friedlichen und freundlichen, neutralen
und feindlichen Beziehungen zur Geltung bringt und begrenzt. Sie
erzeugt, wenn auch in rechtlichen Merkmalen nicht scharf definierbar,
doch in deutlicher Abhebung von den völkerrechtlichen Detailverhält-
nissen, die „grofse Politik“. Zu dieser grofsen Politik ist um der
verfassungsmälsigen Ausschlielslichkeit seiner Eigenschaft als Macht
willen und unter Ausschlufs der Einzelstaaten, die verfassungsmälsig
Mächte nicht sind, allein das Reich berufen, mag sich dieselbe in be-
ıı Vom 11. Dezember 1868. Freilich ist sie im Beginne der Bundes-
verhältnisse abgeschlossen pour la Prusse et pour la confederation du Nord.
Aegidi und Klauhold, Staatsarchiv Bd. 15 No. 3486. Vergleiche auch die
Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsverträge z. B. mit Mexiko (1869)
aa. 15. 16. 18 — 20; mit Salvador (1870) aa. 19—22. 32; mit Costarica (1875)
aa. 12. 13. 23—25. 36.