554 U. Buch. Die Reichsgewalt.
sonderen völkerrechtlichen Akten, wie europäischen Kongressen und
Verträgen, oder in der Einflulsnahme des fortlaufenden diplomatischen
Verkehres äulsern !?.
2. Aber aus jenem ausschliefslichen Verfügungsrechte über die
Machtmittel des Reiches folgt nicht nur eine beschränkte auswärtige
Wirksamkeit der Einzelstaaten, es folgt daraus auch eine besondere
Gestaltung des inneren Verhältnisses zwischen dem Reiche und den
Einzelstaaten.
Das Recht der Kriegsführung ist nicht nur die letzte Bedingung
eines selbständigen Einflusses auf den Gang der europäischen Politik,
es ist vor allen Dingen auch das letzte, entscheidende Schutzmittel,
von dessen möglicher oder aktueller Anwendung die Selbstbehauptung
des Staates und die Wahrung der ihm anbefohlenen Interessen und
Rechte abhänst. Dieses Schutzmittels sind die Einzelstaaten beraubt.
Sie entbehren des völkerrechtlichen Aktionenrechtes.
Nur das Reich ist verfassungsmälsig in die Lage gesetzt, es ist ihm
damit aber auch die Pflicht verfassungsmälsig zugeschrieben, „den
Schutz des Bundesgebietes und des innerhalb desselben gültigen
Rechtes“ 1% in letzter Instanz durch das ihm ausschliefslich zustehende
völkerrechtliche Aktionenrecht zu bewirken, gleichgültig ob dieser
Schutz das Reich als solches oder den Einzelstaat oder die Reichs-
und Staatsangehörigen'* anlangt. Das Reich ist daher die verfassungs-
mäßige Schutzmacht der Einzelstaaten in der Völkergemein-
schaft und zwar auch in Rücksicht auf die völkerrechtliche Stellung
und die auswärtige Thätigkeit, welche den Einzelstaaten als ihr Recht
verblieben ist.
a. Daraus folgt, dafs das Reich berechtigt und verpflichtet ist,
ı2 $. die Äufserungen des Bundeskanzlers in den Verhandlungen des
preulsischen Abgeordnetenhauses 1867/68 I 294; insbesondere aber die diplo-
matischen Schriftstücke bei Gelegenheit des französischen Vorschlages zu einer
europäischen Konferenz über die Kirchenstaatsfrage und der an Kgr. Sachsen
und Grofsh. Hessen ergangenen Einladungen. Aegidi und Klauhold, Staats-
archiv Bd. 14 No. 3278 (preufsischer Minister d. ausw. A. an den Gesandten in
Darmstadt) und No. 3277 (sächsischer Minister der ausw. A. an die köngl.
diplomatischen Vertreter).
13 Eingang der Reichsverfassung.
1# Wenn es in R.V. a. 3 al. 6 heifst: „Dem Auslande gegenüber haben
alle Deutschen gleichmäfsig Anspruch auf den Schutz des Reiches“, so
ist „Deutscher“ allerdings nach dem Sprachgebrauch der Reichsverfassung
identisch mit Reichsangehöriger, allein das Wort „gleichmäfsig“ schreibt
vor, dafs der Unterschied der Staatsangehörigkeit für die Schutzpflicht des
Reiches im Auslande eine rechtliche Bedeutung nicht haben soll.