Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

556 II. Buch. Die Reichsgewalt. 
IN. Nur innerhalb der Schranken, welche durch die Stellung 
des Reiches als Schutzmacht der Einzelstaaten und durch seine hier- 
aus sich ergebenden ausschliefslichen Rechte gezogen sind, bewegen 
sich die Kompetenzen, welche den Einzelstaaten auf dem Gebiete der 
auswärtigen Angelegenheiten verblieben sind. Sie können auch im 
einzelnen nur eine unvollkommene völkerrechtliche Stellung der Einzel- 
staaten ergeben. 
1. Das gilt zunächst von dem Recht des diplomatischen 
Verkehres im weiteren Wortsinn. 
Auf der einen Seite haben die Einzelstaaten das Recht Ge- 
sandte an auswärtige Staaten abzusenden, während das Recht der 
Entsendung von Konsuln ausschliefslich dem Reiche zusteht. Aber 
die Befugnisse dieser Einzelstaatsgesandten sind beschränkte. Sie 
können sich wesentlich nur beziehen auf ceremonielle Repräsentation, 
auf Erledigung dynastischer Familienangelegenheiten, auf Betreibung 
solcher - Geschäfte und Vertragshandlungen, welche der inneren 
Kompetenz der Einzelstaaten unterstehen, endlich auf die Vertretung 
der besonderen Interessen und Rechte der Staatsangehörigen des 
Einzelstaates !°; dies letztere jedoch nur nach Malsgabe des a. 3 al. 6 
der R.V., welcher das Reich jederzeit berechtigt und auf Erfordern 
der Betroffenen verpflichtet, die Vertretung derselben an sich zu 
ziehen!?”, Überdies ist es selbstverständlich, dafs die Einzelstaats- 
gesandten von solchen Geschäften ausgeschlossen sind, welche nach 
Malsgabe der Gesetze und Verträge des Reiches den Reichskonsuln 
zustehen oder den Reichsgesandten übertragen sind, ohne ausdrücklich 
eine Konkurrenz der Einzelstaatsgesandten zuzulassen'®. 
Auf der anderen Seite haben die Einzelstaaten das Recht Agenten 
auswärtiger Staaten zu empfangen und zwar sowohl Gesandte als 
'Konsuln!?. Aber auch hier bringen es die Kompetenzen des Reiches 
mit sich, dals der Einzelstaat nicht in der Lage ist, dem empfangenen 
auswärtigen Agenten die Rechtsstellung zu gewährleisten, welche das 
völkerrechtliche Herkommen fordert. Vielmehr ist das Mafs der zu 
16 Uber die Verteilung der Geschäfte der Reichs- und der Einzelstaats- 
gesandten an demselben Missionsorte s. bayerisches Schlufsprotokoll a. 8. 
Drucksachen des preufsischen Abgeordnetenhauses 1869/70 No. 100. Laband, 
Staatsrecht II 2 ff. 
17 Erklärung des Bundeskanzlers im Reichstag 22. April 1869. Sten. 
Ber. S. 509. 
18 Ausschliefsliche Funktionen der Reichsgesandten z. B. CivilprozefsO. 
88 182. 403; konkurrierende Funktionen z.B. Palsgesetz vom 12, Oktober 1867 
8 6. Gesetz betr. Eheschliefsung im Auslande vom 4. Mai 1870 $ 13. 
19 Bayerisches Schlufsprotokoll XI.
	        
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